Wehrmacht: „Die Opfer werden totgeschwiegen“

Eine Ausstellung in Deutschland beschäftigt sich mit Tätern und Opfern der NS-Justiz. Ob sie 2009 auch in Wien zu sehen sein wird, ist aber ungewiss.

MÜNCHEN/WIEN (jule). Der 86-jährige Richard Wadani steht unter der Glaskuppel im Münchner Justizpalast vor grünen und roten Säulen mit Texten und grobkörnigen Schwarz-weiß-Bildern. „Diese Ausstellung muss unbedingt nach Wien geholt werden“, sagt der Wehrmachtsdeserteur im kämpferischen Ton. „Bis jetzt werden die Opfer der Militärjustiz noch immer totgeschwiegen.“ In der Wanderschau „Was damals Recht war…“, die derzeit in München Station macht, werden an 14 Fallbeispielen die Schicksale jener 50.000 Menschen nachgezeichnet, die von der deutschen Wehrmachtsjustiz zum Tode verurteilt wurden. Mindestens 20.000 wurden tatsächlich erschossen, erhängt oder geköpft.

So wurde etwa dem U-Boot-Kapitän Oskar Kusch der Prozess gemacht, weil er ein Hitler-Bild aus der Offiziersmesse entfernen ließ. In derartigen Verhandlungen hatte der Angeklagte kein Einspruchsrecht. „Nach einer halben Stunde war alles vorüber“, schildert ein Mitglied der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“.

Tabuthema: Deserteure

Und die Täter? Viele machten nach 1945 Karriere an Gerichten, Universitäten oder in der Politik. Zum Beispiel Erich Schwinge, der das NS-Militärrecht geprägt hatte, trat noch 1990 für die CDU/CSU als Gutachter vor dem Bundestag auf und wetterte gegen die Rehabilitierung von „Wehrkraftzersetzern“. In Deutschland sei heute „der Umgang mit der Ausstellung völlig konfliktfrei“, so Werner Karg, Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit.

In Österreich hingegen sei das Thema noch immer ein Tabu, klagt der Überlebende Wadani. Er ist Sprecher des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“. Deshalb will Wadani mit dem „Verein Gedenkdienst“ und den Wiener Grünen die Ausstellung 2009 nach Wien holen. Dazu heißt es im Büro von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny: „Wir verweigern uns sicher nicht, immerhin haben wir damals (2002, Anm.) die Wehrmachtsausstellung nach Wien geholt. Wir stehen der Idee sehr positiv gegenüber.“

(Die Presse. Print-Ausgabe, 5. 4. 2008)

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