Wladimir Putins letzter Schritt zum Machterhalt

(c) AP (Dmitry Astakhov)
  • Drucken

Der Noch-Präsident übernimmt wohl die Kreml-Partei „Einiges Russland“. Seine Popularität ist eben wieder gefallen.

Moskau. Eine Statistik sagt mehr als tausend Worte: Wie das russische Umfrageinstitut „Öffentliche Meinung“ dieser Tage bekanntgab, ist die Beliebtheit Wladimir Putins im russischen Volk abermals gestiegen. 48 Prozent der Russen vertrauen dem scheidenden Präsidenten – um drei Prozent mehr als noch vor einem Monat. Dabei ist Putin nur noch drei Wochen lang Präsident. Wenn er am 8. Mai nach menschlichem Ermessen zum Premier mutiert, wird sein langjähriger Weggefährte Dmitrij Medwedjew bereits neuer Kremlchef sein.

Doch noch ist das Volk ganz und gar nicht auf den 42-jährigen Vertreter einer neuen Generation eingestellt. Im Gegenteil: Seine Popularität ist eben wieder gefallen. Zwölf bis 28 Prozent vertrauen Medwedjew – je nach Fragestellung. Kein Wunder, sagen politische Beobachter: Putin ist aktiv und medial präsent wie eh und je. Und das hat seine Gründe, meint Jewgeni Mintschenko vom Internationalen Institut für Politische Expertisen: Wenn die Kreml-nahe Partei „Einiges Russland“ auf ihrem Parteitag am heutigen Dienstag vorschlägt, Putin in ihre Reihen aufzunehmen und gleich auch den Parteivorsitz anzubieten, so müsse dies auf dem Gipfel der Popularität geschehen.

Personifiziertes Parteiprogramm

Die Entscheidung über den Parteivorsitz ist der letzte große Meilenstein in der Regelung des Machtwechsels bzw. Putins Machterhalts. Er hat ja mit seinem Beschluss, keine dritte Amtszeit anzuhängen, die Verfassung eingehalten, sich aber gleichzeitig über den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit und seines Machtapparates hinweggesetzt. Seither dominiert die Frage, wie viel Macht Putin real beibehalten wird. „Wenn Wladimir Putin die Leitung der Partei Einiges Russland übernimmt, wird es die beste Variante sein“, sagte der jetzige Parteichef und Duma-Vorsitzende Boris Gryslow.

Gesteuert direkt aus dem Kreml, hat sich die Partei seit 2001 sukzessive zur Zweidrittelmehrheit im Parlament vorgearbeitet, die einzige größere Oppositionspartei der Kommunisten marginalisiert und alle anderen Oppositionsversuche im Keim erstickt. Putin selbst hat der inhaltsleeren Partei als Aushängeschild und personifiziertes Parteiprogramm gedient, ohne jemals Mitglied gewesen zu sein.

„Kündigungsschutz“ für Putin

Im Übrigen hat er keine große Aktivität gezeigt und ist nur selten auf Parteikongressen aufgetaucht. Im Vorjahr holte er dann zum Paukenschlag aus: „Premier zu werden ist ein durchaus realistischer Vorschlag“, sagte er und nannte zwei Bedingungen: Erstens müsse die Partei bei der Wahl im Dezember 2007 siegen und zur Stütze der Exekutive werden“; zweitens müsse ein „ordentlicher, effizienter Mensch, mit dem man im Tandem arbeiten kann, zum Präsidenten gewählt werden“. Beides hat sich Putin erfüllt, indem er Medwedjew als Nachfolger vorschlug und die Partei als Spitzenkandidat zur Zweidrittelmehrheit führte.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass Putin annimmt. Allein die aufwendige Vorbereitung des Ereignisses spricht dafür. Es wäre ein Signal, dass er den weiteren Gang der Politik massiv beeinflussen und die Partei vom willfährigen Ausführungsorgan zur mächtigen Institution umbauen will. Offen ist nämlich bislang die künftige Machtbalance im Tandem Medwedjew – Putin. Das übermächtige Präsidentenamt dominiert ja die Exekutive. Sollte nun Medwedjew Putin irgendwann entlassen wollen, bräuchte er die Zustimmung des Parlaments – in dem Putin die Partei lenken könnte.

HINTERGRUND. Das Tandem Putin – Medwedjew

Russlands neuer Präsident Dmitrij Medwedjew tritt sein Amt am 7. Mai an. Voraussichtlich am 8. Mai wird der bisherige Staatschef Wladimir Putin auf den Posten des Premiers wechseln. Ein weiterer Machthebel für Putin könnte der Vorsitz der Partei „Einiges Russland“ sein, der ihm laut Medienberichten am heutigen Dienstag auf dem Parteikongress angeboten wird – wobei Putin bisher gar nicht Mitglied ist. Er führte die 2001 gegründete Partei zwar als Spitzenkandidat in die Parlamentswahl Ende 2007, nahm aber sein Abgeordnetenmandat nicht an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.