OMV-Chef Roiss: „Langfristig setzen wir auf Wasserstoff"

Die Presse
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Der OMV-Chef vermisst eine europäische Energiepolitik, fürchtet nicht nur eine Abwanderung von Industrien, sondern auch von gut ausgebildeten Arbeitskräften. Standortpolitik beginnt für ihn im Kindergarten.

Die Presse: Als ich neulich im Kino war, fiel mir auf, dass Ölkonzerne im Film nie gut wegkommen. Dabei hat kaum ein Rohstoff zum Wohlstand auf dieser Welt so viel beigetragen wie Erdöl. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

Gerhard Roiss: Das gilt ja nicht nur für die Ölindustrie, das gilt ja etwa auch für die Chemie. Wir sind im Zeitalter des Übergangs in Richtung erneuerbare Energie. Und ich habe auch Verständnis dafür, dass sich viele von der fossilen Energie rascher verabschieden möchten.

Gleichzeitig blickt alles gebannt auf den Ukraine-Konflikt, bei dem der energiepolitische Aspekt große Bedeutung hat.

Zeiten wie diese zeigen, wie wichtig die Versorgung ist. Mein Problem ist ja, dass die OMV ein Produkt hat, das man nicht sieht. Man sieht es immer nur dann, wenn man es nicht hat. Wir verkaufen nämlich Versorgungssicherheit. Und Europa versucht, bis 2030 den Anteil von erneuerbarer Energie auf 25 Prozent zu erhöhen. Wir brauchen also noch immer 75 Prozent fossile Energie. Die Zahl der Autos wird sich bis 2040 verdreifachen. Mir konnte noch niemand erklären, wie man dies mit erneuerbarer Energie bewerkstelligen soll. Das sind Realitäten: Und diesen begegnet man mit Technologie und nicht mit Ideologie.


Trotzdem spielt es in den Kinosälen dieser Welt Ideologie.

Aber die Frage stellt sich etwa in Asien überhaupt nicht. Diese Einstellung ist schon ein österreichisches, ein europäisches Phänomen. Fakt ist aber auch, dass es ein CO2-Problem gibt.

Der Klimawandel hängt also mit der Verbrennung von Erdöl und Erdgas zusammen . . .

. . . und von Kohle. Darüber wird selten berichtet. In Österreich wird ein Kohlekraftwerk betrieben.

Jetzt haben Sie einen Vertrag mit Gazprom abgeschlossen. Der bringt Versorgungssicherheit, aber auch Abhängigkeit von Russland.

Versorgungssicherheit kann man nicht kurzfristig managen, das ist ein langfristiges und strategisches Thema. Wir haben vor vielen Jahren die Möglichkeit aufgezeigt, Gas aus neuen Quellen nach Europa zu bringen. Stichwort Nabucco. Man hat sich am Ende für das ökonomische Projekt entschieden, nicht für die strategische Lösung und auch nicht für Versorgungssicherheit. Heute sagen viele in Anbetracht der neuen Situation im Osten: Warum haben wir Nabucco nicht gebaut? Nun haben wir eine Anbindung Österreichs an South Stream verhandelt. Also an eine Pipeline, die die Ukraine umgeht. Ich betone aber, dass ich die Verhandlungen lange vor Ausbruch der aktuellen Krise begonnen habe.

Sie sprechen von langfristigen Strategien. Was füllt die OMV in 50 Jahren in unsere Tanks?

Wir sprechen seit vielen Jahren davon, dass die Erdölreserven noch 40 Jahre reichen. Wir wissen nicht, wo es noch überall Vorkommen gibt. Langfristig setzt die OMV auf Wasserstoff. Wir haben in Cambridge ein Forschungsprojekt laufen, bei dem wir aus erneuerbarer Energie Wasserstoff erzeugen.

Sie glauben, dass Wasserstoff Diesel und Benzin ablösen wird?

Das ist eine Lösung, wir gehen diesen Weg. Kalifornien geht denselben Weg und baut ebenfalls bereits Strukturen auf.

Apropos: Viele Industrien kokettieren mit billiger Energie in den USA. Gefährden die hohen Energiepreise den Standort Europa?

Europa hat das Problem, dass es eine gemeinsame Klimapolitik gibt, an die sich allerdings der Rest der Welt nicht hält. Gleichzeitig gibt es aber keine europäische Energiepolitik, obwohl Europa 36 Prozent der energieintensiven Industrie stellt, die USA hingegen nur zehn Prozent. Machen wir so weiter, werden wir zehn Prozentpunkte verlieren. Das sind Arbeitsplätze.

Der Thinktank Bruegel meint, hohe Energiekosten fördern die Innovationskraft.

Das ist logisch richtig, praktisch aber falsch. Denn Industrie bedeutet Wertschöpfungskette. Und diese mündet in Innovation.

Aber immer seltener in Investition. Die passiert in den USA.

Zur Zeit fließen allein in die USA Investitionen in Höhe von 100 Mrd. Euro ab. Das ist eine große Zahl, aber immer noch relativ wenig. Aber es zeigt, dass die Standortdiskussion jetzt sehr wichtig ist. Das ist ein Generationenthema. Da geht es um jene jungen Menschen, die heute in die Schule gehen und studieren. Denen müssen wir nachhaltig Jobs geben.

Sonst wandern mit der Industrie auch die guten Arbeitskräfte ab?

Das Problem beginnt schon viel früher. Die guten Leute suchen sich aus, wo sie studieren. Und wenn unsere Elite in den USA studiert, dann ist sie weg, weil sie dann auch dort Jobs findet.

Die Standortpolitik beginnt also bei der Bildung?

Jawohl! Das ist vielen zu wenig bewusst. Und die Bildung beginnt im Kindergarten, nicht an der Universität. Englisch, Naturwissenschaften. Es beginnt beim Spielzeug im Kindergarten.

„PRESSE“-VERANSTALTUNG

Praxis trifft Wissenschaft. Bei „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“, einer Kooperation von "Presse", Erste Group und Wirtschaftsuniversität Wien, sprechen Manager und Professoren über aktuelle wirtschaftliche Themen. Am 6. Mai diskutieren OMV-Vorstandschef Gerhard Roiss und Werner Hoffmann vom Institut für Unternehmensführung an der WU über das Thema „Wirtschaftsmotor Energie“. Im Anschluss moderiert Hanna Kordik, Leiterin des Wirtschaftsressorts der „Presse“,
eine Publikumsdiskussion.

Weitere Informationen und Anmeldung unter diepresse.com/unplugged

("Die Presse", Printausgabe vom 6.5.2014)

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