Leica: Ein Mythos feiert Geburtstag

APA/EPA/ROLAND HOLSCHNEIDER
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Vor zehn Jahren war Leica fast bankrott, jetzt gönnt man sich zum 100-Jahr-Jubiläum eine neue Firmenzentrale und eine neue Kamera - eine analoge mit Film.

Wetzlar. Natürlich ist das Gebäude schön. Außen in dezentem Grau gehalten, innen alles in Schwarz und Weiß, fließende Formen, weil die Architektur an ein Fernglas und ein Objektiv erinnern soll, gewölbtes Glas, raffinierte Kühlsysteme - es könnte auch von Apple sein.
Ein neues Firmengebäude also für Leica, dort, wo 1914 mit dem ersten Prototypen von Oskar Barnack alles begonnen hat. Im hessischen Wetzlar feierte der deutsche Kamerahersteller am Freitag mit etwa 2500 Gästen üppig sein 100-Jahr-Jubiläum mit der Einweihung der neuen Zentrale.

Wie aber begeht ein Kamerahersteller, Leica noch dazu, sein Jubiläum richtig? Mit einer neuen Kamera! In Leicas Fall in limitierter Auflage (naheliegenderweise 100 Stück) und unkonventionell: In der Welt des Digitalen stellte Leica eine neue Filmkamera vor.

„Sie passt zu uns", meint Produktmanager Stefan Daniel über die Leica M-A. Die Kamera soll in der Nachfolge der Ur-Leica aus dem Jahr 1914 stehen, modern gebaut und designt, aber mit einem Tuch-Schlitzverschluss, einem abnehmbaren Bodendeckel und ohne Belichtungsmesser. Vorerst gibt es die M-A nur im limitierten Kofferset zusammen mit einer anderen, sehr untypischen, aber daher sehr Leica-typischen Kamera: der digitalen Monochrom, die nur Schwarz-Weiß-Bilder machen kann. Mit solchen Produkten schürt man den Mythos (siehe dazu „Eine Kamera wie ein heißer Kuss", 100 Jahre Leica, in der „Presse am Sonntag").

Solche Extravaganzen können sich die Deutschen wieder leisten, seit ein Österreicher sie gerettet hat. Anfang der 2000er-Jahre stand Leica vor dem Bankrott, weil man am früheren Firmensitz in Solms den Wechsel von der Film- zur Digitalfotografie beharrlich ignoriert hatte. Der Salzburger Andreas Kaufmann, einer der Millionenerben der Papierfabrik Frantschach, übernahm ab 2004 die Firma, steckte viel Geld in die Entwicklung und sanierte sie mit neuen Produkten, unter anderem einer digitalen M-Sucherkamera. Mittlerweile schreibt man wieder Gewinne, wächst und ist trotz neuer Zentrale weitgehend schuldenfrei.

Auch das hat man Kaufmann zu verdanken. Den Firmensitz in Wetzlar, 65 Millionen Euro teuer, hat er aus seinem Privatvermögen finanziert, die Firma mietet die Gebäude von ihm. „Ich wollte nicht, dass Leica wieder Kredite aufnehmen muss", erklärt der 60-Jährige.

Blick in die Fabrik

Die Rückkehr nach Wetzlar nützt man, um den Mythos Leica zu hegen und zu pflegen. Es gibt ein großes Besucherareal mit Ausstellungen, einem Kameramuseum und Einblicke in die Produktion. Über drei große Fenster kann man Mitarbeiter sehen, wie sie händisch an den Linsen für die Objektive schleifen, das Leder für Sonderanfertigungen auf die Kameras kleben oder die Sucherkameras verschrauben.

Eine Dauerausstellung zeigt 36 Fotos aus 100 Jahren, jedes mit einer Leica aufgenommen und jedes für sich eine Ikone, wie etwa Elliot Erwitts Hundefoto aus New York. Und weil Erwitt „seit 60 Jahren", wie er selbst sagt, mit Leica fotografiert, hat man ihn zur Feier eingeflogen. Noch immer ist der 86-Jährige ein Mann mit viel Ironie und Witz. Befragt von einer Fernsehjournalistin, warum er mit einer Leica fotografiere, fragt er mit großen Augen: „Oh, gibt es auch noch andere Kameras?"

Für viele Sammler offenbar nicht. Freitagnachmittag versteigerte das Wiener Auktionshaus Westlicht spezielle Leica-Kameras und Originalabzüge berühmter Fotos, die mit Leicas gemacht wurden. Die Auktion in Wetzlar brachte mehrere Millionen Euro ein.

Auch Wetzlar hat sich zum Geburtstag von Leica etwas einfallen lassen. Eine Inschrift auf dem Boden der Altstadt markiert den Ort, an dem Barnack vor 100 Jahren „das erste Leica-Foto" aufgenommen hat. Man ahnt, dass Leicas Rückkehr wichtig für die finanziell schwache Stadt ist: Das Motiv unterscheidet sich heute nur wenig von dem, was Barnack festhielt.

("Die Presse", Printausgabe vom 24.5.2014)

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