Ukraine: Schlacht um Flughafen in Donezk

Ukraine, Donezk, Flughafen
Ukraine, Donezk, Flughafen(c) REUTERS (MAXIM ZMEYEV)
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Nur einen Tag nach der Präsidentenwahl besetzten Aufständische den Flughafen der Ostmetropole Donezk. Die Armee reagierte mit Luftangriffen auf die Provokation.

Die massiven silbernen Buchstaben am Rande der Straße formen das Wort „Aeroport“. Der Donezker Sergej-Prokofjew-Flughafen ist nicht mehr weit. Doch an der Kreuzung gibt es kein Weiterkommen. 500 Meter vor dem zur Fußball-WM vor zwei Jahren modernisierten Airport hat die Polizei die Straße abgeriegelt, eine improvisierte Sperrlinie aus Plastikhütchen, zwei Verkehrspolizisten leiten Autos und Busse um.

Dutzende Schaulustige haben sich versammelt. Kameraleute bringen ihr Gerät in Position. Die Sonne brennt, und die Menschen warten unter Bäumen darauf, dass Nachrichten aus dem Flughafengebäude dringen. Kein Auto fährt auf der Straße. Es bleibt still.

Um drei Uhr Früh haben mehrere Dutzend Bewaffnete den Flughafen Donezk besetzt. Die Männer des Bataillons „Wostok“ (Osten) verlangen, dass die Nationalgarde vom Flughafen abzieht. Soldaten der Nationalgarde bewachen wegen der volatilen Lage in der Ostukraine das Flughafengelände. Es laufen Verhandlungen, heißt es. Ein den Separatisten gestelltes Ultimatum verstreicht um 13 Uhr.

Rote Linie überschritten

Plötzlich wird die Ruhe durchbrochen. Schüsse sind zu hören, Explosionen. Rauch steigt aus der Richtung auf, wo sich der Airport befindet. Zwei Flugzeuge der Marke Suchoi-25 ziehen mit lautem Rauschen mehrere Kreise über der Stadt. Sie feuern auf die Flughafenbesetzer. Zudem sind mehrere Mi-24-Kampfhubschrauber und ein Dutzend Mi-8-Transporthubschrauber der ukrainischen Armee offenbar auf dem Flughafen gelandet, wie aus einem Video hervorgeht. Die Armee scheint den Flughafen mit einem groß angelegten Luftangriff einnehmen zu wollen.



Erstmals erreicht eine Großoperation des Militärs die eine Million Einwohner zählende Stadt. Seit Wochen liefert sich die ukrainische Armee im Zuge ihrer „Antiterroroperation“ Scharmützel mit den Separatisten in Slawjansk, Kramatorsk und anderen Kleinstädten. Meist sind es Angriffe auf Straßensperren, nicht selten enden sie mit Todesopfern. Doch der Kampf um den Flughafen hat ein anderes Ausmaß: Die Separatisten greifen unumwunden nach der Macht in der Region. Für Kiew ist dieser Schritt, nur ein paar Stunden nach Ende der Präsidentenwahl, eine Provokation. Die Separatisten haben die rote Linie überschritten. Der im ersten Wahlgang siegreiche Petro Poroschenko kündigte ein hartes Durchgreifen gegen die „Terroristen“ an.

Die Separatisten hatten auf dem Dach des Flughafens Granatwerfer aufgestellt. Auch der Tower, in dem die Fluglotsen arbeiten, war offenbar zunächst unter ihrer Kontrolle. Die Bewaffneten waren in der Nacht in Bussen angerückt. Sie gehören der Kampftruppe der Donezker Volksrepublik an.

„Bei ihrer Ankunft gab es keine Schießerei“, sagt Flughafensprecher Dmitrij Kosinow zur „Presse“. Aber die Männer stellten eine Forderung: Die ukrainischen Streitkräfte sollten abziehen. Danach gab es – erfolglose – Verhandlungen. In den vergangenen Wochen haben Bewaffnete der Donezker Volksrepublik immer wieder versucht, ukrainische Militäreinrichtungen in der Region unter ihre Kontrolle zu bringen.

Überfälle und Waffenraub

Im Laufe des Nachmittags eroberten die ukrainischen Truppen den Flughafen aber wieder zurück, sie setzten dabei auch Fallschirmspringer ein. Die Separatisten flüchteten sich in angrenzende Wohnviertel, wo sie sich verschanzt hielten. Dort brachen Feuergefechte aus.

Erst am Sonntag, als in den restlichen Landesteilen Präsidentenwahlen stattfanden, fuhren mehrere Dutzend Bewaffnete des Bataillons „Wostok“ im Zentrum von Donezk auf. Bei einer Kundgebung der Separatisten, auf der diese den Wahlgang als illegal verdammten, feuerten sie Gewehrsalven in die Luft und zogen dann unter dem Jubel der Umstehenden wieder ab.

Es war eine symbolische Machtdemonstration. Einen Tag später machten sie nun ernst und versuchten, ein wichtiges strategisches Objekt zu besetzen. Die Separatisten wollen nach dem Unabhängigkeitsreferendum ihre Macht im Donbass ausbauen – auch wenn die Euphorie der Bevölkerung aufgrund des unklaren Status des Gebiets verflogen ist. Zimperlich sind sie bei der Wahl ihrer Mittel nicht: Bewaffnete führen immer öfter auch Überfälle durch, um Geld und Waffen zu erbeuten.

Der Flughafenbetrieb in Donezk blieb am Montag jedenfalls eingestellt. Seit sieben Uhr Früh wurden keine Flugzeuge mehr abgefertigt. „Der Betrieb kann erst wieder aufgenommen werden, wenn wir für die Sicherheit der Passagiere garantieren können“, sagt Sprecher Kosinow gestresst. Er schwitzt, flüchtet sich vor der Sonne unter den Schatten eines Baumes. Sicher ist nur, dass auf der Rollbahn des Flughafens in den nächsten Stunden kein Passagierflugzeug mehr ankommen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)

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