Der Linkspopulisten scheinheiliges Klagen über den Rechtspopulismus

Ganz Europa fürchtet sich vor dem bösen Rechtspopulismus. Der nicht weniger gefährliche Linkspopulismus hingegen wird nonchalant toleriert.

Nach dem Baumsterben, dem Klimawandel und den Übeln der Gentechnik hat spätestens seit dem Ergebnis der EU-Wahlen vom vergangenen Sonntag ein neuer apokalyptischer Reiter die veröffentlichte Meinung in Angst und Schrecken versetzt: der Rechtspopulismus, der neuerdings den alten Kontinent in seinen Grundfesten bedroht; schlimmer noch, der den einen oder anderen bisherigen sozial- oder christdemokratischen EU-Abgeordneten um sein stattliches Salär und die damit verbundenen üppigen Diäten bringt.

Nun ist ja unbestritten, dass diese Wahl in ganz Europa ein paar Kotzbrocken vom äußeren rechten Rand des politischen Spektrums – griechische Nazis und ungarische Antisemiten etwa – nach oben gespült hat, die nicht eben als Beleg dafür dienen können, dass die Demokratie nur die Nobelsten der Noblen in hohe Ämter befördert.

Bemerkenswert ist freilich, dass der „Populismus“-Vorwurf in der von europäischen Leitmedien geführten politischen Debatte nahezu ausschließlich gegen rechte Politiker erhoben wird, praktisch nie hingegen gegen Politiker der Linken.

So ist zweifellos „populistisch“ zu nennen, wenn etwa in Frankreich Marine Le Pen vom Front National latent xenophobe Grundstimmungen in der französischen Bevölkerung anspricht, um sie für sich – höchst erfolgreich – politisch urbar zu machen, keine Frage. Nicht weniger populistisch ist freilich, wenn am Tag nach Frau Le Pens Triumph der sozialistische französische Ministerpräsident, Manuel Valls, ankündigt, dass er als Reaktion darauf die Steuern für seine weniger gut verdienenden Landsleute senken werde, ihnen also Geld dafür anbiete, wenn sie in Hinkunft bitte davon absehen mögen, Marine Le Pen zu wählen. Das Ganze natürlich auf Pump, weil Frankreich bekanntlich mehr oder weniger pleite ist.

Noch populistischer geht es eigentlich kaum. Trotzdem geht dergleichen in den meisten Medien fälschlicherweise noch irgendwie als Wirtschaftspolitik durch, anstatt als das denunziert zu werden, was es ist: Linkspopulismus pur. Das gleiche Phänomen lässt sich hierzulande genauso gut und farbenfroh beobachten. Wenn Herr Strache und die FPÖ undifferenziert gegen „die EU“ oder „die Banken“ oder „die Ausländer“ hetzen, wird das völlig zutreffend unter Rechtspopulismus rubriziert. Wenn hingegen SPÖ-Politiker gegen „die Millionäre“, „die Reichen“ und überhaupt alle, „die von der Krise profitiert haben“, vom Leder zieht, dann wird das zwar da und dort als etwas schlichte ökonomische Sicht der Dinge abgehandelt, fast nie hingegen als das bezeichnet, was es ist: Linkspopulismus.

Solcher Linkspopulismus tritt hierzulande ebenso regelmäßig wie hochdosiert auf. Besonders vor Wahlgängen wird er routiniert zum Zweck der gezielten Wählerbestechung angewandt, in der Regel in Form von Versprechungen auf finanzielle Leistungen vom Staat, die auf Kredit finanziert werden, um damit Stimmen zu kaufen – oder, Stichwort „Bankenabgabe“, Stichwort „Millionärssteuer“ – und einfach an eher niedrigere Instinkte zu appellieren. Was ja auch meist ganz gut gelingt.


Der Linkspopulismus in Österreich ist übrigens kurioserweise nicht der politischen Linken vorbehalten, auch die ÖVP bedient sich gern dieser Methode. Etwa, wenn sie vor Wahlen in ihrem niederösterreichischen Herzland wider jegliche Vernunft und wider den niedrigen Pegelstand im Geldspeicher die Subventionszahlungen an Pendler erhöht – eine linkspopulistische Maßnahme par excellence.

Schädlich sind der eine wie der andere Populismus: der rechte, weil er ungute Saiten in den Massen zum Ertönen bringt, der linke, weil er Staaten früher oder später ökonomisch ruiniert. Dass trotzdem die Gefahren des Rechtspopulismus in der veröffentlichten Meinung geradezu grotesk gegenüber jenen des Linkspopulismus überbewertet werden, dürfte übrigens die ohnehin schon ramponierte Glaubwürdigkeit dieser veröffentlichten Meinung nicht eben anheben.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2014)

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