Die Lust am Fest an sich

Life Ball 2014: Die Lust am Fest an sich
Life Ball 2014: Die Lust am Fest an sichAPA (ROLAND SCHLAGER)
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Die Transformation von Natur und Mensch verpasste der diesjährigen Aids-Charity ein barockes Gesicht. Unterstützt wurde Organisator Gery Keszler von Bill Clinton, Ricky Martin und Conchita Wurst.

Nicht nur die Kleider der Tänzer, Systeme aus Stoff und Sperrholz, sollten das Auge mit ihrer Dreidimensionalität verwirren, auch die Bühne wechselte am Samstagabend ihre Farbe – und die Jahreszeit.

Naturverbunden präsentierte sich der 22. Life Ball als barocker "Garten der Lüste". Die Richtschnur: Hieronymus Bosch. Organisator Gery Keszler deutete schon am Vormittag eine "Transformation des Rathausplatzes" an. Was für ihn – wie das Fest selbst – nach wie vor "ein Wunder" sei. Immerhin werde die Veranstaltung von hunderten ehrenamtlichen Händen getragen und locke prominente "Aktivisten und Rebellen" an, wie Bill Roedy, den Vorsitzenden der MTV Staying Alive Foundation, die angereisten Stars lobte.

Neben bekannten Sprachrohren wie Ex-US-Präsident Bill Clinton (CHAI), Kevin Frost (amfAR) und Popstar Sir Elton John (EJAF) standen auch Musiker aller Sparten von Leona Lewis bis Courtney Love auf der Gästeliste.

Als Hauptattraktion der Eröffnung war Ricky Martin geplant, der puerto-ricanische Popsänger hatte seinen ersten Auftritt in Wien. Der homosexuelle Künstler und zweifache Vater setzt sich schon länger dafür ein, „dem Leiden der Aidskranken ein Ende zu setzen“.

"Vogue Italia"-Chefin Franca Sozzani, die die Modeschau ausrichtete, setzte dem debütierenden "Leading Ladies Luncheon" im Schloss Belvedere einen männlich dominierten Laufsteg entgegen. Das Essen des Damen-Netzwerks und die Modeschau der Herren sei eine "gute Kombination aus beiden Geschlechtern". Damit spielte sie auf das Werbeplakat mit der transsexuellen Carmen Carrera an. Der Blähbusen mit Penis in Barbie-Ästhetik war eine vorprogrammierte Kontroverse. Keszler selbst war auch nicht überrascht: "Hätte man eine kommerzielle Kampagne gemacht, sie wäre unbezahlbar", so der Organisator.



Zurück zum Ball und seinem Kleid. Wo anfangs das Weiß des Winters über der Bühne lag, erblühte im Laufe der Zeremonie der Frühling in Form von Visuals des Fotografen David LaChapelle. Gebrochen wurde sein hyperrealistisches Gartenbild von den barocken Strichen der Wiener Malerin Raja Schwahn-Reichmann. Sie fühle sich vom Podium des Life Balls generell angezogen, erzählte sie am Freitag zuvor, während sie noch an den Röcken einer "Frühlingstruppe" malte.

Dunkle Wolken, Hoffnungsschimmer. "Ich halte das Fest an sich für eines der wichtigsten Dinge im Leben. Es ist kein Luxus, sondern etwas Wesentliches, ein sozial komprimierter Moment." Ähnlich hielt es auch LaChapelle, der Ball ist für ihn ein Moment, in dem die Betroffenen kurz "die dunkle Wolke unter der sie leben, verlassen könnten". Da er selbst seinen ersten Freund an den HI-Virus verloren hatte, freue er sich, ein Teil dieser Charity zu sein.

Der mit 100.000 Euro dotierte "Crystal of Hope" ging heuer an das Safe Water and Aids Project aus Kenia, das umfangreiche Herz wurde von den Schauspielern Marcia Cross und Billy Zane überreicht. Die Organisation rund um Alie Eleveld hat es sich zur Aufgabe gemacht, die hygienischen Bedingungen von HIV-Betroffenen zu verbessern.

Mit Conchita Wurst wurde der Garten der Lüste ins Finale getrieben, die vor sieben Jahren als 17-jähriger Tom Neuwirth zum ersten Mal auf dem Ball auftrat. Heute wird er gefeiert, dazwischen liegen Anfeindungen und der Songcontest. Dass durch Wurst heute das Wort Toleranz in alle Seiten gedehnt werde, kann Keszler nicht mehr hören: "Nur, weil man etwas toleriert, akzeptiert man es noch lange nicht. Und von Respekt ist man weit entfernt".

HIV in zahlen

Weltweit leben etwa 35 Millionen Menschen mit HIV und Aids. Mehr als die Hälfte aller Fälle entfallen aufFrauen. Sie haben ein doppelt so hohes Risiko, sich während des ungeschützten Geschlechtsverkehrs vom Mann anzustecken, als umgekehrt. In Österreich leben geschätzte 12.000 bis 15.000 HIV-infizierte Menschen. Im Jahr 2013 haben sich in Österreich 481 Menschen mit dem HI-Virus infiziert.

Der Ball

Mehr als eine Party
Neben dem 22.Life Ball fanden an diesem Wochenende eine Reihe von Partnerveranstaltungen, wie das Red Ribbon Celebration Concert, die Aids Solidarity Gala, das First Ladies Luncheon und die TED am Ring statt. Das gemeinsame Ziel ist, Geld zu sammeln, um die Ausbreitung von HIV/Aids zu stoppen.

Im Vorjahr spielten der Life Ball und seine Veranstaltungen einen Erlös von 2,43 Mio. Euro ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2014)

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