Häupls Masterplan für die Wien-Wahl

Michael Häupl will für die Wien-Wahl 2015 unbedingt eine Steuerreform. Ein Vorziehen des Wahltermins würde ihm wenig bringen.
Michael Häupl will für die Wien-Wahl 2015 unbedingt eine Steuerreform. Ein Vorziehen des Wahltermins würde ihm wenig bringen.APA/ROLAND SCHLAGER
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Analyse. Für 2015 braucht Michael Häupl eine Steuerreform. Kommt sie nicht, kann sich Werner Faymann warm anziehen. Eine vorgezogene Wien-Wahl ist daher (derzeit) kein Thema.

Wien. „Wenn gar nichts mehr geht, dann muss man das wie auch in einer Beziehung zur Kenntnis nehmen, und man trennt sich." Es sind drastische Worte, die Bürgermeister Michael Häupl am Dienstag zum Zustand der Koalition fand. Nicht zur rot-grünen Rathauskoalition, sondern zur rot-schwarzen Koalition auf Bundesebene. Auslöser war der Streit um die Steuerreform, wo nun Häupl seine Vorgaben artikuliert hat: Im Herbst sollen die Beschlüsse für die Steuerreform fallen, die Bevölkerung müsse davon schon 2015 etwas spüren.

Häupl stellt dem Bund also die Rute ins Fenster - was durchaus nachvollziehbar ist. Denn im Herbst 2015 stehen die Wien-Wahlen an. Und die Wiener SP ist in einer schwierigen Situation: Es drohen deutliche Verluste, Häupls Traum (die Wiedererlangung der absoluten Mehrheit) ist in der Zwischenzeit völlig unrealistisch geworden, es gibt Ärger mit den Grünen und bei diversen Wiener Projekten. Die SPÖ könnte 2015 im schlimmsten Fall sogar unter jene 39,15 Prozent fallen, mit denen Häupl bei der Wien-Wahl 1996 seine Karriere als Wiener Bürgermeister begonnen hat. Mit so einem Debakel will Häupl jedenfalls nicht in die Geschichtsbücher eingehen.

Was Häupl also derzeit am allerwenigsten brauchen kann, ist Ärger im Bund, der sich auf Wien auswirkt. Denn die Stimmung im Bund wirkt sich (zwar nicht extrem, aber doch) auf das Wahlverhalten (Stichwort: Mobilisierung) in Wien aus. Deshalb ist es kein Wunder, dass der steirische Landeshauptmann Franz Voves, der ebenfalls 2015 zur Wahl steht, gleich reagiert wie Häupl und auch Landeshauptmann Hans Niessl, der 2015 ebenfalls zur Wahl steht, die Steuerreform ebenfalls mit dem Fortbestand der Koalition im Bund verknüpfen möchte.

Für 2015 braucht Häupl die Steuerreform als wichtiges Zugpferd. Kommt sie nicht, muss sich (auch) die SP-Bundespartei warm anziehen. Damit der Ausfall der Steuerreform nicht auch ihm (im Wien-Wahlkampf) vorgeworfen wird, bleibt Häupl nur eine Möglichkeit: harsche Kritik an der Bundesregierung, also Profilierung auf Kosten der eigenen Bundespartei. Also eine Option, worauf Landeshauptleute in Wahljahren äußerst gerne zurückgreifen.

Wien-Wahl nicht vorgezogen

Was an Häupls Forderung nach einer Steuerreform 2015 auffällt: Sie impliziert, dass Wien (wenn nicht etwas völlig Unvorhergesehenes passiert) planmäßig im Herbst 2015 wählt, es also keine vorgezogenen Wien-Wahlen geben wird. Denn es braucht PR-mäßig einige Zeit, bis eine positive Maßnahme die Bevölkerung so weit durchdrungen hat, dass sie sich in Zufriedenheitswerten bzw. Wahlergebnissen niederschlägt und verwertet werden kann. Anders formuliert: Erst wenn die Wiener mehr Geld im Geldbörsel haben, danach auch dem letzten Wiener von der SPÖ per Kampagnen vermittelt wurde, dass es ein SPÖ-Erfolg ist und man daher die SPÖ wählen soll, bringt die Steuerreform Häupl etwas. Und das dauert.

Dasselbe gilt für viele Maßnahmen, die Häupl gesetzt hat, um für 2015 das Ruder noch herumzureißen. Die SPÖ führt derzeit die größte Hausbesuchs-Tour ihrer Parteigeschichte zur Mobilisierung ihrer Wähler durch. Diese wird erst vor dem Herbst 2015 abgeschlossen sein. Ein Wahltermin z. B. im Mai würde dafür sorgen, dass deutlich weniger Haushalte als geplant besucht werden können - die Kampagne würde nicht die volle Wirkung entfalten. Auch viele „Leuchtturmprojekte", welche vor wenigen Monaten präsentiert wurden und die zeigen sollen, wofür die Wiener SP steht, brauchen für ihre Umsetzung Zeit bzw. Zeit, um ihre Wirkung auf das Wahlverhalten zu entfalten, z. B. die Gratis-Nachhilfe für Wiener Schüler, mit der sich Eltern jährlich bis zu 600 Euro ersparen.

Ein zentraler Faktor sind auch die Grünen. Ohne deren Zustimmung (die Maria Vassilakou ausgeschlossen hat) wird es keine vorgezogene Wien-Wahl geben; zudem die SPÖ danach wieder mit den Grünen koalieren will bzw. muss. Denn in der SPÖ wird nicht damit gerechnet, dass (durch den Negativtrend der Wiener VP und Mandatsverluste durch die kommende Wahlrechtsreform) sich 2015 eine rot-schwarze Koalition überhaupt noch ausgeht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Juni 2014)

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