Unis: Vier von zehn studieren kaum

Die Presse
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40 Prozent der Studienanfänger machen fast keine Prüfung. Die Rektoren fordern ein strengeres Studienrecht. Die hohe Orientierungslosigkeit müsse durch mehr Information in den Schulen bekämpft werden.

Wien. Welches Studium ist das richtige für mich? Und an welcher Uni soll ich mich einschreiben? Diese Fragen beantwortete ein Jugendlicher nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. Er inskribierte an vier verschiedenen Unis und schrieb sich für 17 unterschiedliche Fächer ein – von der Elektrotechnik bis zur Philosophie. Nach einem Jahr wusste er, was er wirklich wollte: Er brach 15 der 17 Studien ab und verließ drei der vier Universitäten.

Das ist zwar ein Extrem-, aber kein Einzelfall, wie die Experten des Instituts für Höhere Studien (IHS) sagen. Sie präsentierten gestern ihre Studie zum Thema Studienabbrüche. Viele Studierende inskribieren im ersten Semester vorsichtsichtshalber mehrere Fächer. Studienverläufe wie der dieses Studenten erklären mitunter, warum die Abbrecherquote an den österreichischen Universitäten verhältnismäßig hoch ist. Laut Studie, die im Auftrag der Universitätenkonferenz durchgeführt wurde, sind 38 Prozent der Abbrüche somit eigentlich gar nicht als solche zu werten.

Was dem einzelnen Studenten bei der Orientierung hilft, ist für die Universitäten ein Problem: Sie werden nämlich zunehmend an ihrem Output gemessen. So soll es bei der Studienplatzfinanzierung – dem geplanten neuen Finanzierungsmodell – nicht nur mehr Geld für eine höher Absolventenquote, sondern auch für einen höheren Anteil prüfungsaktiver Studenten geben.

WU ist Negativbeispiel

Doch genau diese Prüfungsaktivität lässt an vielen Unis zu wünschen übrig (siehe Grafik). Denn rund 40Prozent der Studierenden absolvieren in ihrem ersten Studienjahr kaum Prüfungen. Konkret macht ein Viertel der Studienanfänger keine einzige Prüfung. Weitere 16 Prozent erreichen im ersten Studienjahr gerade einmal 16 ECTS-Punkte. Eigentlich sollten Studierende rund 60 ECTS pro Studienjahr absolvieren. Den höchsten Anteil an studien- bzw. prüfungsinaktiven Studenten hat mit 53 Prozent die Wirtschaftsuniversität (WU), gefolgt von der Uni Wien (50 Prozent) und der Uni Salzburg (40 Prozent). Besonders fleißig sind die Studierenden hingegen an den Kunst- bzw. Medizinuniversitäten.

Für die Universitätenkonferenz sind die Schlüsse aus diesen Zahlen klar: Das „liberale Studienrecht“ müsse überdacht werden, sagt WU-Rektor Christoph Badelt. „Die Politik muss sich überlegen, ob es sinnvoll ist, dass jeder unbegrenzt viele Studien unbegrenzt lang studieren kann.“ Sollte sich die Politik bewusst zu diesem Prinzip bekennen, dann müssten die Unis aber auch entsprechend finanziert werden. Das hieße, dass die Politik den Unis nicht Geld anhand von Indikatoren wie prüfungsaktive Studenten oder Absolventen zuweisen dürfe, so Badelt. Er selbst wünscht sich striktere Aufnahmeregeln. Außerdem kann sich Badelt vorstellen, dass nur ein Studium gratis angeboten wird und die Studierenden für jedes weitere zahlen müssen.

Die Rektoren stellten außerdem zwei Rezepte gegen Studienabbrüche vor: Die hohe Orientierungslosigkeit müsse durch mehr Information in den Schulen bekämpft werden. Die häufigen Studienabbrüche von berufstätigen Studenten sollten durch höhere Stipendien vermieden werden. Denn, so Badelt: „Soll ein Studierender wirklich bei McDonald's arbeiten müssen?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2014)

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