Stadtleben: Wie Wiens Brasilianer ticken

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Die brasilianische Community in Wien ist nur lose organisiert. Eine starke Verbindung zur Heimat ist die Musik. Der Fußball-WM stehen einige kritisch gegenüber.

Wien. Als richtig gut vernetzt würde sie sie nicht bezeichnen. „Wir treffen uns nicht sehr oft“, sagt Ianara Belfor, Brasilianerin in Wien. Es fehle ein Lokal, in dem sich alle regelmäßig zusammenfinden. „Das geht mir auch ab, die Community“, sagt die 41-Jährige. Sie hätte es sich anders gewünscht, etwa so wie bei den spanischsprachigen Latinos, die einige Stammlokale in der Stadt für sich auserkoren haben. „Aber man muss jetzt dazusagen: Vielleicht gibt es Menschen, die das anders sehen.“

Ianara Belfor ist eine von rund 4729 Personen mit brasilianischer Herkunft in Österreich. Die größte Community ist in der Bundeshauptstadt mit 1588 Personen (Stichtag 1.1.2014) vertreten, danach folgt schon Vorarlberg mit 838 Brasilianern. Ianara Belfor selbst kommt aus Salvador da Bahia, der drittgrößten Stadt in Brasilien. Sie ist vor 22 Jahren als Model nach Wien gekommen und hat hier ihren Mann Alamande Belfor kennengelernt. Den dürften einige auch als Jurymitglied der ersten Staffel von „Austria's Next Topmodel“ kennen. Mittlerweile betreibt sie mit ihm das Tanzstudio-Netzwerk BigsMile-Club, wo auch brasilianische Tänze unterrichtet werden. Die stärkste Verbindung zu ihrer Heimat ist die Musik. Belfor ist Sängerin, die sich mit ihrer Band dem Bossa nova verschrieben hat, Brasiliens bekannter Musikstilrichtung.

Brasilien im Fernsehen

Damit wird sie auch bald im Fernsehen zu sehen sein. Der ORF wird während der Fußball-WM regelmäßig brasilianische Künstler ins Studio bitten. Von Samba- über Capoeira-Tänzer bis zu Musikern.

„Wissen Sie“, sagt sie, „Brasilien ist sehr vielfältig, und so sind auch die Brasilianer in Wien.“ Die sich freilich sehr wohl grüppchenweise immer wieder treffen würden. Das bestätigt auch Daniela Dantas Fischleder, 44 Jahre alt und seit 20 Jahren in Wien. Die Mutter zweier Töchter arbeitet als Therapeutin für Behinderte. Sie trifft regelmäßig ihre Landsleute in der Stadt, man helfe sich gegenseitig, sei es bei der Kindererziehung oder auch bei der Wohnungssuche.

Das Netzwerk, das viele zusammenhält, ist die brasilianische Botschaft. Die hat einen E-Mail-Verteiler, in dem sie über alle brasilianischen Aktivitäten informiert – seien es Besuche von Künstlern, Konzerte oder Feste.

Die WM-Eröffnung wird sich Dantas Fischleder etwa mit anderen Brasilianern in der Wiener Bar Aux Gazelles ansehen. Sie wird dort allerdings Schwarz tragen. „Ich bin nicht zufrieden, wie die Regierung die WM umgesetzt hat. Viele arme Menschen haben dabei draufgezahlt.“

Wer mehr über das Land Brasilien erfahren will, geht an diesem Wochenende (6. bis 8. Juni) zum Wiener Karlsplatz, dort veranstaltet die Initiative Nosso Jogo (Unser Spiel) das Festival „Arena Brasil“. Und vermutlich wird dort auch Caipirinha getrunken. Brasiliens populärster Cocktail ist mittlerweile in ganz Wien erhältlich. „Und“, sagt Ianara Belfor, „er schmeckt auch meist überall gut.“ (win)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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