Balkan: Das große Aufräumen nach der Flut

AUFRÄUMARBEITEN NACH DER HOCHWASSER-KATASTROPHE IN SERBIEN
AUFRÄUMARBEITEN NACH DER HOCHWASSER-KATASTROPHE IN SERBIEN(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Balkan. Mit den Folgen des Hochwassers haben die Menschen in Kroatien, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina noch monatelang zu kämpfen. Die Schäden betragen bis zu zwei Milliarden Euro.

Obrenovac. Verloren ragen die Tribünen des überschwemmten Stadions von Obrenovac aus den braunen Fluten. Der prüfende Blick von Amir Khalil schweift vor den Toren von Serbiens Provinzstadt über das trübe Wasser. Wenn der sinkende Wasserpegel die Tierkadaver frei lege, sei die Gefahr des Ausbruchs gefährlicher Viehseuchen wie Milz- oder Rauschbrand am größten, doziert der ägyptische Tierarzt. „Es geht uns nicht nur darum, die Katzen von den Dächern zu holen“, sagt Khalil. „Denn Tierschutz in Katastrophengebieten kommt den Menschen zugute und dämmt die Seuchengefahr ein.“

Die Wasserpegel an Save und Donau sind am Sinken. Die meisten, aber längst nicht alle Aufnahmelager für die Hochwasseropfer sind inzwischen wieder geräumt. Doch mit den Folgen der Jahrhundertkatastrophe werden die Betroffenen noch monatelang zu kämpfen haben. Bisher wurden allein in Serbien bereits rund 400 Millionen Euro an Schäden inventarisiert: Insgesamt werden sowohl in Serbien als auch in Bosnien und Herzegowina mit Schäden zwischen einer und zwei Milliarden Euro gerechnet. Vielfach ist das genaue Ausmaß der Katastrophe noch immer nicht zu ermessen. In Obrenovac steht vor allem in den Vororten fast noch immer ein Drittel der Fläche der Stadt unter Wasser.

Kaum jemand war versichert

Wo Menschen darben, leidet auch das Tier. Die Schweine mit dem schwarzen Fell quieken verschreckt. Doch der Wollschweinzüchter Dragisa Pajitć macht aus seiner Freude über die Besucher mit den ersehnten Impfstoffen kein Hehl. „Gott sei Dank, da seid ihr endlich!“, begrüßt der Serbe auf seinem Hof die angereisten Veterinäre. Fast ein Drittel seiner 140 Tiere habe er durch das Hochwasser verloren, klagt der Landwirt. Die Schlammfluten, die seine Freilaufweiden und Felder überflutet haben, sind mittlerweile zwar abgetrocknet, aber dafür wirken einige seiner Tiere sichtlich angeschlagen. Sie werden heute geimpft.

„Wir spritzen ein Breitbandantibiotikum zur Vorbeugung und ein Entwurmungsmittel“, erläutert die Wiener Tierärztin Irene Redtenbacher: Neben der raschen Beseitigung von Tierkadavern sei die Schutzimpfung der überlebenden Tiere die wichtigste Maßnahme gegen den möglichen Ausbruch von Epidemien. Darum kümmert sich die Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

Allein die Vernichtung von über 6000 Bienenstöcken hat Serbiens Imker um mehr als 25 Millionen Euro geschädigt. Doch nicht nur Serbiens Landwirte, sondern auch Eigenheim- und Firmenbesitzer hat die Hochwasserkatastrophe oft um ihre Existenzgrundlage und den ganzen Besitz gebracht. Denn in dem bitterarmen Transformationsstaat ist nur ein Bruchteil von Immobilienbesitzern gegen Naturkatastrophen versichert. Nur acht Prozent der Serben haben ihr Haus gegen Brand, Diebstahl oder ähnliche Heimsuchungen versichert. Zusatzversicherungen für Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen haben gar nur 0,8 Prozent der Eigenheimbesitzer abgeschlossen.

Besonders fahrlässig mutet indes das Gebaren von Serbiens größtem staatlichem Energieversorger EPS an. Bei einem Drittel seiner direkt an den Flüssen liegenden Tochterunternehmen und Kraftwerken hat er die relativ günstigen Versicherungspolizzen gegen Hochwasserschäden in den letzten Jahren auslaufen lassen. Die Folge: Allein die Überflutung der Braunkohlemine Kolubara bescherte dem Unternehmen Schäden in dreistelliger Millionenhöhe.

Höhere Stromtarife erwartet

Verbittert mahnt die heimische Presse, die selbst verursachten Schäden nicht auf die Verbraucher abzuwälzen – und endlich die nur durch ihr Parteibuch auf ihre Posten gelangten Manager in den Führungsetagen der Staatsfirmen durch Fachleute abzulösen. Doch letztendlich werden die Verbraucher die Zeche für den Schlendrian der EPS-Manager zu zahlen haben: Eine Anhebung der Stromtarife ist wohl kaum zu vermeiden.

FAKTEN

Auf bis zu zwei Milliarden Euro dürften sich die Schäden in Serbien und Bosnien und Herzegowina gemeinsam belaufen. Viele haben ihren gesamten Besitz verloren und stehen vor dem Aus.

Der heutigen Ausgabe der „Presse“ liegt ein Zahlschein für die Opfer der Hochwasserkatastrophe auf dem Balkan bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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