Flugzeuge: Wovon Airlines träumen

(c) REUTERS (FABIAN BIMMER)
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Mit dem ultraleichten Langstreckenjet A350 will Airbus dem Konkurrenten Boeing die Stirn bieten. Die Nachfrage nach größeren, leichteren und treibstoffsparenden Flugzeugen steigt, weil die Fluglinien Kosten sparen.

Das Timing hätte schlechter nicht sein können: Just zu Beginn der „Innovation Days“ Mitte dieser Woche, im Rahmen derer der europäische Flugzeugproduzent Airbus Journalisten aus aller Welt einen Blick auf seine ehrgeizigen Zukunftspläne gestattet, sorgte der Stammkunde Emirates für einen kräftigen Dämpfer. Die Scheich-Airline aus Dubai stornierte die komplette Bestellung von 70 Stück des neuen Airbus A350 mit einem Listenpreis von 16 Milliarden Dollar. Emirates setzt auf den mit 400 Sitzen größeren Konkurrenten aus den USA, die Boeing 777X.

„Tim (Clark, Emirates-Chef, Anm.) ändert ab und zu seine Meinung“, gab sich Airbus-Verkaufschef John Leahy cool. Zumal Emirates mit 140 Bestellungen des A380 ohnedies der größte Kunde des weniger gut verkauften Airbus-Riesen bleibt. Außerdem habe sich, wie Leahy locker erzählte, gleich eine Schlange von Fluggesellschaften gebildet, die fragten, ob sie die Bestellungen von Emirates übernehmen könnten. Leahy und Airbus-Chef Fabrice Bregier können sich also etwas entspannen, zumal der A350, dessen erstes Exemplar zu Jahresende an Emirates-Rivalen Qatar Airways ausgeliefert wird, heute deutlich mehr kostet als das Modell vom Reißbrett, anhand dessen sich Emirates 2007 entschied.

Angesichts des konkurrenzbedingten Kostendrucks sind alle Airlines – ungeachtet, ob sie wie in Europa vielfach Verluste einfliegen oder wie im Nahen Osten und in Asien hoch profitabel sind – auf der Suche nach Sparpotenzialen. Ganz oben auf der Wunschliste steht daher: Die Flugzeuge sollen größer, schneller und leiser sein, weiter fliegen können, und sie sollen angesichts des anhaltend hohen Ölpreises vor allem Treibstoff sparen. Diese hohen Ansprüche sind allein mit ein paar kosmetischen Korrekturen nicht zu erfüllen.

Und so griffen die Ingenieure dies- und jenseits des Atlantiks schon vor Jahren tief in ihre Trickkisten und entwickelten mit dem A350 und dem 787 Dreamliner völlig neue Konzepte: Rumpf und Flügel bestehen nicht mehr aus Aluminium, sondern aus Kohlefaserverbundwerkstoffen. Die Flügel sind aerodynamischer gestellt und erhalten durch aufgebogene Spitzen (Sharklets genannt) zusätzliche Windschlüpfrigkeit. Jede Schraube, jeder der Millionen Bauteile wurde auf Gewicht gecheckt. Und die Ultraleichtflugzeuge erhalten auch neue Triebwerke.

Dass solche Innovationen nicht ohne Probleme abgehen, hat Boeing schon schmerzhaft erfahren. Erst mit vier Jahren Verzögerung kam der Dreamliner auf den Markt – zu viele neue Technologien verursachten ein nur schwer beherrschbares Chaos. Aber auch, als die Flieger schon in der Luft waren, riss der Albtraum, der 2013 in einem monatelangen weltweiten Flugverbot gipfelte, nicht ab. Der Knackpunkt waren neuartige Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterien, die Brände auslösten. Von 30 Milliarden Dollar Entwicklungskosten für den Dreamliner ist die Rede. Dagegen muten die rund zwölf Milliarden für den A350 geradezu bescheiden an.

Für Häme gibt es daher bei Boeing angesichts des Emirates-Stornos keinen Grund. Aber auch bei Airbus herrscht noch keine Champagnerlaune, obwohl bisher beim A350 alles wie geschmiert lief. Zu problemlos, wie in der abergläubischen Branche geunkt wird. Keine großen Pannen, kein Produktionschaos – das auch beim A380 zu gewaltigen Verzögerungen führte. Ein Jahr Verzögerung gilt in der an Pannen gewöhnten Branche als Punktlandung.

Tausende Stunden auf dem Boden und in der Luft haben die fünf Testmaschinen des neuen Prestigeobjekts von Airbus schon auf dem Buckel. Die Flieger waren am Nordpol und in Las Paz (dem höchstgelegenen Airport der Welt), in der Hitze-Kälte-Folterkammer im McKinley-Testzentrum in Florida und sie bestanden auch bravourös den „Ultimate Load Test“. Dabei wird absichtlich herbeigeführt, was Passiere lieber nicht erleben wollen: Die Flügel werden so lange belastet und verbogen, bis die Spitzen oben zusammenstoßen.

Breitere Sitze. „Es gibt immer Verbesserungen, aber wir hatten tatsächlich keine großen Probleme“, sagte Testpilot Peter Chandler zur „Presse am Sonntag“. Nahezu ins Schwärmen gerät er, wenn er über seinen Arbeitsplatz spricht. „Das Cockpit wurde vom A380 übernommen, das ist Stand der Technik.“  Und der Passagier? Der kann sich auf mehr Platz (die Sitze in der Economy Class sind zwei Zentimeter breiter als im Dreamliner, weshalb der A350 auch den Beinamen XWB, Extra Wide Body, trägt), größere Fenster, einen großen Flatscreen in jedem Sitz und mehr Stauraum freuen.

742 Bestellungen für den A350, der in mehreren Versionen auf den Markt kommt, hat Airbus jetzt in den Büchern. Bregier geht davon aus, dass die jüngste Schöpfung ein Kassenschlager wird – schon 2020 soll der A350 profitabel sein. Beim A380 dauerte es acht Jahre, er soll 2015 erstmals operativ Gewinn machen.

Während nun die Verkäufer am Zug sind, tüfteln die Techniker bei Airbus und Boeing schon längst an der nächsten Flugzeuggeneration. Allerdings scheint vorerst Schluss mit Revolutionen zu sein. Und so steht bei Airbus nicht nur die schon fixierte Überarbeitung des Verkaufsrenners A320 an. Für den A320 neo, der im September den Erstflug absolvieren soll, gibt es schon 2700 Bestellungen. Der Zusatz „neo“ könnte auch den in die Jahre gekommenen A330 schmücken. Sogar beim A380 wird eine Überarbeitung nicht ausgeschlossen. Bei Boeing wiederum steht die neue sparsame Version der 777 auf dem Programm.

Das ewige Match zwischen den beiden weltgrößten Produzenten von Zivilflugzeugen geht also in die nächste Runde. Wobei sich der Wettbewerb vor allem auf den Markt für Großraumjets (Wide Body) konzentriert. Die Airlines gieren danach: größere Flugzeuge auch auf Mittelstrecken senken die Stückkosten. Und so wird nicht nur der Dreamliner gestreckt, sondern es ist auch schon eine Langversion für den A350 geplant.

Flugzeuge werden auch in zehn, 20 Jahren grundsätzlich so aussehen wie jetzt. Aber sie werden wahrscheinlich völlig anders produziert. „Print me an Airplane“: Airbus setzt die neue 3-D-Drucker-Technologie schon jetzt bei Werkzeugen und Flugzeugkomponenten ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2014)

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