Die Pleitegeier kreisen erneut über Argentinien

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Urteil. Laut US-Höchstgericht muss Argentinien Schulden aus der Zeit vor der Staatspleite voll begleichen. Das stürzt das Land in neue Probleme.

Buenos Aires. Über dem Silberfluss kreisen die Geier. Das ist die Folge der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Washington, einen Einspruch der argentinischen Regierung nicht zu verhandeln. Damit gilt das Urteil des New Yorker Richters Thomas Griesa, der 2012 die südamerikanische Republik dazu verpflichtet hat, ihre Schulden zu bezahlen. Das klingt einfach und gerecht. Und doch könnte die Entscheidung massive Folgen haben, bis hin zu einem neuen Zahlungsausfall für sämtliche argentinischen Staatsschulden wie jenem zum Jahreswechsel 2001/02, der Ausgangspunkt des Konfliktes ist.

Es geht um die Klage einiger Investmentfonds, die sich darauf spezialisiert haben, Staatsanleihen von Ländern in Zahlungsschwierigkeiten mit Abschlägen billig aufzukaufen, auf die Restrukturierung der Staatsschulden dieser Länder zu warten und nach wieder erlangter Zahlungsfähigkeit die Schuldscheine einzulösen. Aber nicht zu dem Billigpreis, den sie bezahlten, sondern jenem Wert, zu dem die Scheine begeben wurden. In Argentinien werden diese Agenturen daher „fondos buitre“ genannt, also Aasgeier-Fonds.

Sieben Prozent der Gläubiger

Nach dem größten Zahlungsausfall in der Weltgeschichte, der Außenstände von etwa 100 Mrd. Dollar betraf, hatten Argentiniens Präsident Néstor Kirchner und sein Finanzminister Roberto Lavangna 2005 mit einem Großteil der Gläubiger vereinbart, etwa 36 Prozent der ursprünglichen Schulden in neuen Bonds zurückzuzahlen. „Tote können nicht bezahlen“, war damals Kirchners Hauptargument. Bis heute ließen sich insgesamt etwa 93 Prozent der Gläubiger auf den Deal ein – und wurden seither immer pünktlich bezahlt. Mit den neu strukturierten Papieren gab es niemals Probleme.

Diese gab es allein mit jenen Gläubigern, die alle Einlagen zuzüglich Zinsen wollten. Mehrere Fonds klagten vor der US-Justiz, und versuchten mit spektakulären Aktionen, wie etwa der Festsetzung des Segelschulschiffs Libertad, argentinische Güter zu pfänden. Präsidentin Kirchner sah sich sogar gezwungen, für Auslandsreisen britische Privatjets zu mieten, da die Präsidentenmaschine Tango 01 ständig in Gefahr schwebte, gepfändet zu werden. Am Montag bekamen die Gläubiger endgültig recht. Argentinien muss – neben seinem geregelten Schuldendienst – Ende dieses Monats etwa 1,5 Mrd. Dollar zusätzlich schicken.

Das werde nicht passieren, stellte Präsidentin Cristina Kirchner in einer Ansprache am Montagabend klar. „Wir lassen uns nicht erpressen“, so Kirchner. Wenn ihr Land die Kläger ausbezahlte, würden auch alle anderen, bislang nicht bedienten Gläubiger 100 Prozent plus Zinsen fordern. Das summiere sich auf 15 Mrd. Dollar, demonstrierte die Präsidentin mit Schautafeln, die sie in die Kamera hielt. Dieser Betrag umfasse etwa die Hälfte der ständig sinkenden Währungsreserven des inzwischen in die Rezession gerutschten Landes, das verzweifelt nach Investoren sucht. Und, so fügten nachher mehrere Ökonomen der präsidialen Ansprache hinzu, sollte Argentinien wirklich alle der sogenannten „Holdouts“ in voller Höhe abfinden, könnte es sich auf eine gigantische Klagewelle all jener Gläubiger einstellen, die den großen Abschlag akzeptiert hatten. Diesen Anlegern versprach Kirchner feierlich, dass ihr Land wie bislang pünktlich seinen Verpflichtungen nachkommen werde.

Nach dem für die meisten argentinischen Finanzexperten überraschenden Spruch suchen Regierung, Opposition und Finanzwelt nach einem Ausweg, um einen neuen Zahlungsausfall zu vermeiden. Ex-Finanzminister Roberto Lavagna rät, mit den Holdouts zu verhandeln, wie das auch US-Richter Griesa empfohlen hat. Bislang hat Kirchner jegliche Verhandlungen mit den „Aasgeiern“ abgelehnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2014)

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