Das Schlaraffenland hinter der Boxenmauer

Boxengasse
BoxengasseAPA/HERBERT NEUBAUER
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Formel 1. Der Spaziergang durch Spielbergs Boxengasse und den Paddock-Klub zeigt, dass der PS-Zirkus von Bernie Ecclestone nichts von seinem Spektakel eingebüßt hat. Geld und Glamour dominieren, der Ansturm der Massen ist gewiss.

Der Ansturm auf den Formel-1-Ring in Spielberg hat begonnen. Sorgten am Donnerstag endlose Staus für Unmut und Konfusion, waren es am Freitag über Nacht kurzerhand gesperrte Zufahrtsstraßen, die irritierten. Es folgte ein Fußmarsch entlang von Wiesen, die wie gewohnt in Parkplätze umfunktioniert wurden. Und vorbei am belebten Campingdorf direkt vor der Rennstrecke, in dem es frühmorgens schon nach Bier, Schnaps und Ham & Eggs roch. Das Spektakel, die Rückkehr der Königsklasse des Motorsports nach Österreich nach elf Jahren, zieht die Massen in ihren Bann. „Es wird ein Volksfest“, hat Sebastian Vettel bei seinem Wien-Besuch vorhergesagt. Spielberg erlebt sogar den Grand Prix der Volksmusik.

Die Region hat sich herausgeputzt, Hotels und Pensionen sind ausgebucht, selbst manches Kinderzimmer wurde vermietet. Die Formel 1 ist für Spielberg und Zeltweg ein Segen, auch der Steuerzahler darf sich dieser Tage als Gewinner fühlen. Energydrink-Hersteller Dietrich Mateschitz hat alles aus eigener Tasche bezahlt und weil der Militärflughafen geöffnet wurde für die Landung privater Learjets, sind weitere Einnahmen gewiss. Über 200.000 Zuschauer werden an diesem Wochenende erwartet, den GP am Sonntag (14 Uhr, ORF1) sollen 125.000 Menschen sehen. Chaos bei der An- und Abreise ist jedenfalls zu erwarten.

Mobile Villen, klamme Teams

Die Formel 1 ist weiterhin die Königsklasse, es wird deutlich, wenn man durch die Boxengasse spaziert oder im Paddock staunt – dem Areal, in dem die Rennställe Gäste, Sponsoren und auch Journalisten empfangen. Dort stehen keine billigen Wohnwägen wie vor dem Eingang, es sind Motorhomes, mobile Villen. Ein Truck kostet mindestens fünf Millionen Euro, dafür bietet er Büros, Bars, Küche und Platz. Eng aneinandergereiht stehen sie jedoch da, diese Ordnung ist weltweit gleich, auch in Spielberg. Am Beginn steht Weltmeister Red Bull, am Ende die Nachzügler wie Caterham oder Marussia – ob sie die Saison beenden werden, ist fraglich. Sie werden von finanziellen Problemen geplagt und dieses Los spiegelt die Kluft wider, in der sich dieser Motorsport manövriert hat. Zwei, drei Teams dominieren, ungeachtet aller Budgets (über 200 Millionen Euro pro Jahr) und alle anderen füllen 19 Rennen lang das Feld. An einen Überraschungssieger zu denken, ist eine Illusion.

Dass der Gastgeber über das größte Motorhome verfügt, mag manchen ein Dorn im Auge sein. Doch die Kombination zweier Teams, Toro Rosso und Red Bull, garantiert den größten Schauraum. Hier wird gelacht, Fahrer wie Vettel oder Ricciardo, Teamchef Christian Horner und Helmut Marko sind nahbar. Sie sind zu Fotos bereit, geben Autogramme. Dabei hätten sie aufgrund der Unterlegenheit gegenüber Mercedes Grund zur Trauer. „Mein Sieg in Kanada macht Mut“, sagt Ricciardo, „aber hätte Mercedes keine Probleme gehabt, wär's anders gelaufen.“

Bei Ferrari gibt man sich hingegen verschlossen. Fernando Alonso versteckte sich und Kimi Räikkönen grummelte „nähdään myöhemmin“. Das heißt auf Deutsch „bis später“, dazu kam es aber nicht. Nach dem Training war auch der Finne verschwunden.

Magermotor, Computerchips

Ob Hybridmotoren, Einheitsreifen, geringerer Spritverbrauch Motorsportliebhaber begeistern, darüber streiten sich die Geister. Die einen nennen sinkende TV-Quoten als alarmierendes Signal, es steht aber im Widerspruch zum Ansturm in Spielberg, Sponsoren sonder Zahl oder gestiegenen Verkaufszahlen, die sich Mercedes Austria auf den Stern heftet. Es gewinnt längst nicht mehr der beste Fahrer, sondern das am besten mit Computerchips gefütterte Hightech-Auto. Benzingeruch war gestern, Online-Reifendruckkontrolle ist die Gegenwart. Das Szenario erweckt den Anschein, als sei die F1 nicht mehr ob des Sports so anziehend, sondern fasziniere als Event – mit Partys, Shows und Sternchen.

Zu überhören sind all diese Argumente wohl, vor allem von Vermarkter Bernie Ecclestone. Der ehemalige Autoverkäufer hält an seinem Spruch fest: „Win on Sunday, sell on Monday!“ Allerdings ist ein Faktum unüberhörbar. Die Motoren haben an Kraft verloren, sie klingen mager. Andere Serien wie GP2, GP3 oder der Porsche Supercup, die auch in Spielberg Gas geben, machen dafür tüchtig Lärm, sie vollenden das Spektakel. Die Formel 1 fährt munter weiter, die gewohnte Show hält an. In Spielberg vorerst bis 2020.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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