Traiskirchen: Symbol des Scheiterns

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Die Bundesländer schaffen es nicht, ihre Unterbringungsquoten für Asylwerber zu erfüllen. Im Bundeslager Traiskirchen sind derzeit mehr als 800 Menschen zu viel untergebracht.

Traiskirchen/Wien/St. Pölten. Es ist ein ebenso vorhersehbarer wie für den Bundesstaat peinlicher Theaterdonner, den der Gemeinderat von Traiskirchen diese Woche losgelassen hat: Die Überbelegung des Flüchtlingslagers in der niederösterreichischen Gemeinde sei abzustellen, heißt es in einer einstimmigen Resolution.

„Traiskirchen steht als Symbol des Scheiterns der österreichischen Asylpolitik“, ergänzt Andreas Babler, seit Ende April neuer (SPÖ-)Bürgermeister der 17.200-Einwohner-Gemeinde, in der die ehemalige k. u. k. Artilleriekadettenschule seit dem Ungarn-Aufstand 1956 immer wieder als Anlaufstelle für Flüchtlinge verwendet wurde.

1300 statt 480 Menschen

Ganz von der Hand weisen lässt sich Bablers Bestandsaufnahme nicht: 2010 haben Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und seine Parteikollegin Maria Fekter, damals als Innenministerin für Asylangelegenheiten zuständig, schriftlich vereinbart, dass die Erstaufnahmestelle maximal mit 480 Personen zu belegen sei. Derzeit sind rund 1300 Menschen in dem Lager untergebracht.

Der Grund dafür liegt in der eigentümlichen Organisation des österreichischen Asylwesens, aufgeteilt zwischen Bund und Ländern. Die Republik hat in diesem Gefüge vor allem die Erstbetreuung über, also jenen Zeitraum zwischen der Ankunft der Asylwerber in Österreich und dem Zeitpunkt, in dem sie zum Asylverfahren zugelassen werden. Dazwischen liegt vor allem die „Dublin II“-Überprüfung, in der geklärt wird, ob ein anderer EU-Staat für das Verfahren zuständig ist. Während dieser Überprüfung werden die Flüchtlinge vor allem in den „Bundesbetreuungsstellen“ Ost (Traiskirchen) und West im oberösterreichischen Thalham, das mit 160 Menschen ebenfalls über seiner Maximalbelegung von 120 liegt, untergebracht.

Sobald die Erstaufnahme abgeschlossen ist, wären eigentlich die Bundesländer am Zug, Quartiere für die Asylwerber bereitzustellen – derzeit gibt es etwa 700 Unterkünfte, viele davon bereitgestellt von NGOs und Privaten, die dafür Verträge mit den Ländern haben.

Nur reicht das nicht: Die Länder sind säumig, ihre nach der Einwohnerzahl fixierten Quoten – für deren Nichteinhaltung es aber keine Sanktionen gibt –, wie viele Menschen jeweils unterzubringen sind, zu erfüllen.

Pröll droht mit Aufnahmestopp

Das wiederum erzürnt nicht nur den Traiskirchner Gemeinderat, sondern auch Pröll: „Unzumutbarfür die Bevölkerung und die Asylwerber“ sei die Situation derzeit. Und für Wien und Niederösterreich sei es „unerträglich“, dass nur diese Länder ihre Quote erfüllten. Sollte sich die Situation bis zum Sommer nicht verbessern, stellt Pröll einen Aufnahmestopp in Traiskirchen in den Raum. Neu ist das nicht – schon Ende 2012 sorgte eine entsprechende Drohung Prölls für eine Entlastung.

Das könnte auch diesmal der Fall sein: Denn Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zufolge lägen bereits mehrere schriftliche Zusagen aus Bundesländern vor, bald mehr Asylwerber aufnehmen zu wollen. Sollte das Traiskirchen nicht bald entlasten, könnte der Bund auch selbst Quartiere schaffen, sagt Mikl-Leitner: „Dann muss man auch wieder über die Unterbringung unter anderem in Kasernen nachdenken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2014)

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