Erstes Achtelfinale: Feierlaune und Vorfreude bei Algerien

Algerien jubelt
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32 Jahre nach der "Schande von Gijon" darf Algerien träumen. Mit Deutschland wartet allerdings ein schier übermächtiger Gegner.

Algerien feiert seinen historischen Erfolg und schwelgt in Vorfreude auf ein brisantes Duell mit Geschichte. Die "Wüstenfüchse" haben dank eines 1:1 am Donnerstag gegen Russland erstmals das Achtelfinale einer WM erreicht und treffen nun auf Deutschland. Vor dem Duell am Montag in Porto Alegre (22.00 Uhr MESZ) sind in Algerien wieder Erinnerungen an die "Schande von Gijon" aufgelebt.

"Ein Traum ist wahr geworden", sagte Islam Slimani am Donnerstagabend in Curitiba mit glänzenden Augen. Der Stürmer hatte mit seinem wuchtigen Kopfball zum 1:1 (60.) nach der russischen Führung durch Alexander Kokorin (6.) entscheidenden Anteil an dem Coup. "Wir haben es verdient. Wir haben eine Seele", meinte Slimani.

In der Heimat haben die Fans mit Autokorso, spontanen Festen und Feuerwerken den Erfolg gefeiert. Nach Schlusspfiff waren in Algier Straßen, Autobahnen und Plätze verstopft. Auch Frauen und junge Mädchen, sonst nachts in Algerien kaum auf den Straßen unterwegs, waren bei Public Viewing und Feiern dabei. "Zumindest im Fußball ist Algerien jetzt unter den 16 führenden Nationen", freute sich eine Feiernde.

Auch der Präsident gratuliert

Auch der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika gratulierte dem Team zu der "brillanten Vorstellung". "Mit großem Stolz, der unsere Herzen und die Herzen aller Algerier wärmt, freuen wir uns über das Weiterkommen", ließ er mitteilen. Teamchef Vahid Halilhodzic hob die Rolle Algeriens als neue Nummer 1 in dieser Region hervor. "Wir sind der Repräsentant der arabischen Welt. Wir können stolz sein", sagte er. "Wir genießen einen guten Ruf und weltweit viel Sympathie."

Die werden sie vielleicht auch gegen den großen Favoriten Deutschland genießen. Halilhodzic rückte das Kräfteverhältnis bei all der Euphorie aber ins rechte Licht. "Wir sind das kleine, kleine Algerien und spielen nun gegen das große, große Deutschland", sagte der Bosnier, der mit Algerien nachholte, was ihnen schon vor 32 Jahren gebührt hätte und durch die "Schande von Gijon" verwehrt worden war.

Algerien war bei der WM 1982 nach einem sensationellen 2:1-Auftaktsieg gegen Deutschland und einem abschließenden 3:2 gegen Chile ganz nah dran am Achtelfinale. Aufgrund des beschämenden deutsch-österreichische Nichtangriffspakts beim 1:0-Sieg der Deutschen stiegen die beiden europäischen Nachbarn auf. "Ich habe mich an 1982 erinnert, als die Spieler feierten", berichtete Noureddine Kourichi am Donnerstagabend emotional aufgewühlt. "Ich habe seit 32 Jahren nicht so einen Moment erlebt", sagte der aktuelle Co-Trainer, der damals im betrogenen algerischen Team stand. Auch Halilhodzic meinte: "1982 kann man nie vergessen."

Medjani: "Gegen Deutschland wird es schwer"

Rachegelüste oder Kampfansagen blieben aber aus, der Respekt vor der Elf von Jogi Löw ist groß. "Es ist ein großer Triumph, aber gegen Deutschland wird es sehr schwierig. Sie sind einer der WM-Favoriten", sagte der wie die meisten seiner Teamkollegen in Europa spielende Carl Medjani. "Dieses vierte Spiel wird für uns mehr als kompliziert", meinte Halilhodzic, der sich weniger vom spielerischen Niveau des nächsten Widersachers beeindruckt zeigte als vielmehr von dessen Fitness: "Das deutsche Team rennt nonstop."

Die körperliche Verfassung könnte in den kommenden Tagen zum Reizthema im algerischen Umfeld werden. Der Ramadan beginnt am Samstag und einige Akteure deuteten bereits an, dass sie das Fastengebot achten wollen. Halilhodzic soll sein Team schon aufgefordert haben, sich angesichts der anstehenden Herkules-Herausforderung und nächsten historischen Chance weiter normal zu ernähren. Fragen nach dem Ramadan blockte er sichtlich verärgert ab.

Ausschreitungen bei Feiern in Frankreich

Gefeiert hat am Donnerstag auch die große algerische Gemeinde in Frankreich, in mehreren Städten kam es dabei zu Ausschreitungen. Landesweit wurden dabei in der Nacht auf Freitag mindestens 74 Menschen festgenommen, wie die Behörden mitteilten. In der Pariser Innenstadt attackierten dutzende Randalierer Polizisten, die mit Tränengas antworteten. Im Großraum Lyon wurden Geschäfte geplündert, Feuerwehrleute attackiert und dutzende Fahrzeuge in Brand gesetzt. Auch in Marseille lieferten sich Fußballfans und Polizisten Auseinandersetzungen.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve verurteilte die Gewalt und sprach von "Taten von einzelnen Randalierern, die Sportereignisse nutzen, um feierliche Momente zu verderben". Ein Sprecher des Innenministeriums kündigte an, die Behörden würden mit Blick auf das Spiel Algerien gegen Deutschland am Montagabend "extrem wachsam" sein. "Überall, wo es notwendig ist, werden die Sicherheitsvorkehrungen noch verstärkt."

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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