Expansion: Der Wilde Osten schlägt zurück

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Treichl(c) Clemens Fabry / Die Presse
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Die hoch gelobte Expansion nach Osteuropa kostet Österreichs Unternehmen derzeit Milliarden. Die Gründe heißen Übermut, hausgemachte Kreditblase, aber auch Spätfolgen der Krise und unberechenbare Politiker.

Wien. Bis zu 1,6 Milliarden Euro Nettoverlust. Mit der Nachricht schockte die Erste Bank ihre Anleger am späten Donnerstag. Der Grund: In Rumänien und Ungarn müssen die Vorsorgen für faule Kredite von 1,7 auf 2,4 Milliarden Euro aufgestockt werden. „Es wird eine Zeit geben, in der sich die Aktionäre freuen, dass wir in Rumänien und Ungarn sind“, verteidigte Erste-Bank-Chef Andreas Treichl die Expansion seines Unternehmens im Radio. Am Freitag sah es nicht danach aus: Die Aktie verlor 14 Prozent an Wert.

Das Kreditinstitut ist nicht das einzige heimische Unternehmen, das in den vergangenen Monaten heftige Verluste für seine Osteuropa-Abenteuer in Kauf nehmen musste. Die notverstaatlichte Krisenbank Hypo Alpe Adria steht mit einem Verlust von 3,14 Milliarden Euro unbestritten an der Spitze, die Bank Austria hat ihre Osttöchter bereits auf null abgeschrieben. Die Telekom Austria gab eben erst ein 400-Millionen-Euro-Loch bei der bulgarischen Tochter Mobiltel bekannt, die EVN wertet ihre Firmen in Bulgarien und Mazedonien weitgehend ab und Baumax torkelte wegen des Ostengagements sogar an den Rand des Konkurses.

Zu spät, zu teuer gekauft

Die Gründe für die Misere variieren: Manche Nachzügler haben in der Euphorie der 2000er-Jahre zu teuer gekauft, andere haben sich in Länder vorgewagt, in denen Krise und Politiker gleichermaßen wüten. Eines haben die Geschichten aber gemeinsam. Sie alle beginnen vor 2008, in der Zeit, in der Österreichs Manager mit leuchtenden Augen vom Goldrausch im Wilden Osten geschwärmt haben. Verblendet von zweistelligen Wachstumsprognosen drängten die Banken seit den 1990er-Jahren in die Region.

Und wo nach dem Zusammenbruch des eisernen Vorhangs partout kein Wachstum sprießen wollte, da schufen es die Kreditinstitute einfach selbst. Banken hätten „jedem das Geld nachgeschmissen“, formulierte das einst Herbert Stepic, Ostpionier der Raiffeisenbank gegenüber der „Presse“. Mit billigen Konsumkrediten haben westliche Banken jene Blase aufgepumpt, unter deren Platzen sie jetzt leiden, kritisieren die Ökonomen vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.

Mit Ausbruch der Wirtschaftskrise wich die Euphorie der Ernüchterung. Wer in Polen oder Tschechien war, kam mit einem blauen Auge davon. In Serbien, Rumänien oder der Ukraine schlug die Krise hingegen voll zu. Die Erste Bank hat es mit einem Verlust von 300 Millionen Euro gerade noch geschafft, ihre Ukraine-Tochter abzustoßen. Raiffeisen und Bank Austria finden derzeit keine Käufer mehr. In Ungarn klagen Banken (und andere ausländische Konzerne) über horrende Sondersteuern.

Im Clinch mit der Politik

Bei manchen Unternehmen hat auch die Wahl der „richtigen“ Länder nicht gereicht. Sie haben sich schlicht übernommen. So führte die Expansion in die osteuropäischen Märkte die Baumarktkette Baumax in einen Verlust von fast 200 Millionen Euro. Bis Jahresende sollen die maroden Standorte in der Türkei, in Rumänien, Bulgarien und Kroatien schließen.

Andere haben das Pech gehabt, sich in Ländern niederzulassen, wo mit den Regeln der Marktwirtschaft eher locker umgegangen wird. So liegt der Energieversorger EVN seit seinem Gang nach Bulgarien 2006 im Clinch mit Sofia. In Bulgarien bestimmt nämlich der staatliche Regulator die Energiepreise. Während die EVN den Strom immer teurer von der staatlichen NEK zukaufen muss, darf sie die Preiserhöhungen kaum an die Endkunden weitergeben. Der jüngste Preisentscheid zwang das Unternehmen kürzlich zur Gewinnwarnung. Das operative Ergebnis wird heuer um 260,9 Millionen Euro sinken. „Wir können die historischen Firmenwerte nicht mehr zurückverdienen“, sagte ein EVN-Sprecher.

Osteuropa vor Erholung

Dennoch ist heute nicht der Moment, um die Flinte ins Korn zu werfen. „Wir erleben nur die Nachwehen der Krise in Osteuropa“, sagt David Hauner, Chefvolkswirt für Osteuropa bei der Bank of America, zur „Presse“. „Die Region steht am Beginn einer signifikanten Erholung. 2014 wird seit Langem das beste Jahr für Osteuropa.“ Die Wachstumsraten steigen, selbst für Ungarn sieht der Ökonom Aufwind. Zudem hinken die Banken dem Wirtschaftswachstum mit ihren Abschreibungen immer um ein bis zwei Jahre hinterher. Deswegen kommen all die schlechten Nachrichten gerade jetzt, da es eigentlich wieder aufwärts gehen sollte.

Wer weiß, vielleicht wird Andreas Treichl doch recht behalten und die Aktionäre sind ihm für die Ostexpansion irgendwann wirklich wieder dankbar.

AUF EINEN BLICK: DIE SPÄTFOLGEN DER KRISE

Die Erste Bank wird heuer bis zu 1,6 Mrd. Euro Verlust schreiben. Grund sind Abschreibungen in Rumänien und Ungarn. 2013 schrieb die Bank ihre Rumänien-Tochter BCR um 281 Mio. und die Kroatien-Tochter um 52,2 Mio. ab.

Die Hypo Alpe Adria hat ihre Balkan-Töchter bereits um die größten Lasten bereinigt. Samt Verlustvortrag schloss die Krisenbank 2013 mit einem Verlust von 3,14 Mrd. Euro. Die Verluste tragen die österreichischen Steuerzahler.

Die Bank Austria hat 2013 die Firmenwerte ihrer Ostbanken auf null abgeschrieben. Sie schloss 2013 mit dem Rekordverlust von 1,6 Mrd. Euro.

Raiffeisenbank International hat im Frühjahr 2013 den Firmenwert ihrer Ukrainetochter Aval um 29 Millionen Euro auf null abgeschrieben.

Die EVN muss das Betriebsergebnis durch Abschreibungen in Bulgarien und Mazedonien um rund 260 Mio. Euro

verringern. Der Versorger bereitet größere Abschreibungen vor.

Die Telekom Austria gab Ende Juni

eine Gewinnwarnung heraus: Sie schreibt 400 Mio. Euro auf ihre bulgarische Tochter Mobiltel ab.

Baumax leidet unter der Expansion nach Osteuropa. Die Töchter in der Türkei, Rumänien, Bulgarien und Kroatien führten bei der Gruppe zuletzt zu Verlusten von knapp 200 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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