Der „Superkanzler“ und seine Grenzen

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SP�-VORSTANDSSITZUNG: FAYMANN(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Politiker diverser Parlamentsparteien stehen einem Ausbau der Kanzlermacht nach deutschem Vorbild offen gegenüber. Der Jurist Heinz Mayer meint allerdings, dass eine Änderung realpolitisch nichts bringen würde.

Wien. Soll der österreichische Kanzler eine sogenannte Richtlinienkompetenz erhalten, mit der er den Ministern politische Richtlinien vorgeben kann? Darüber wird momentan eifrig diskutiert. Angst, dass durch einen Ausbau der Machtbefugnisse ein „Superkanzler“ geschaffen würde, hat man in der SPÖ jedenfalls nicht. Man habe einen solchen mit Werner Faymann ja jetzt schon, erklärte SPÖ-Klubchef Andreas Schieder am Montag. Man solle aber schon bald über die nunmehrige Idee diskutieren.

Diese hatte am Wochenende Neos-Chef Matthias Strolz aufgebracht. Er erhofft sich von einer solchen Neuerung, dass es in einer Koalition weniger Konflikte gebe. Besonders in Hinblick darauf, dass es künftig zu Dreier-Koalitionen kommen werde. Faymann sprach von einem „richtigen Vorschlag“, den es zu diskutieren gelte. Die Bevölkerung erwarte sich „zu Recht oft mehr Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit des Regierungschefs“, so Faymann. Auch ÖVP und Grüne halten die Idee für diskussionswürdig.

Macht nur gegenüber Ministern

Vorbild ist das deutsche Grundgesetz, in dem es heißt: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.“ Innerhalb dieser Richtlinien, so heißt es weiter, leite aber jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung. Doch auch in Deutschland ist die Sinnhaftigkeit der Richtlinienkompetenz umstritten. Denn der Kanzler darf zwar Ministern Grundsätze vorschreiben, aber nicht gegen die Mehrheit im Bundestag agieren, weil die Abgeordneten dort ihr Mandat frei ausüben können.

Auch in Österreich gibt es unter Juristen Skepsis, ob eine solche Machtbefugnis für den Kanzler in der Praxis viel bringen würde. „Die Richtlinienkompetenz ändert nichts daran, dass der Kanzler mit seinem Koalitionspartner und den Ministern im Einvernehmen sein muss“, erklärte am Montag der Dekan der Wiener Jus-Fakultät, Heinz Mayer. Meinungsverschiedenheiten seien „rechtlich überhaupt nicht lösbar, die sind nur politisch lösbar“, betonte Mayer. Wenn man eine Richtlinienkompetenz in Österreich einführe, werde sich „nichts ändern“, lautet die Prophezeiung des Professors.

Koalitionsbruch als Grenze

In Deutschland hatte im Vorjahr beispielsweise auch SPD-Chef Sigmar Gabriel gegenüber der „Bild am Sonntag“ unmissverständlich erklärt: „Wer die Richtlinienkompetenz als Kanzler gegen den Koalitionspartner ausübt, der beendet die Koalition.“ (aich/APA)

AUF EINEN BLICK

In Deutschland gibt es die Richtlinienkompetenz: Die Kanzlerin kann den Ministern politische Grundsätze vorgeben. In Österreich wird darüber diskutiert, ob dieses Modell übernommen werden soll. Befürworter wie Neos-Chef Matthias Strolz meinen, dass es dann zu weniger Konflikten in der Koalition käme. Jurist Heinz Mayer hingegen betont, dass man Meinungsverschiedenheiten nur politisch, nicht rechtlich lösen könne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)

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