Gründerzeithaus: Hochwertiges Sanieren ist auch im Altbau möglich

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Ein Gründerzeithaus im 14. Bezirk in Wien wurde als Demonstrationsprojekt nach allen Regeln der derzeitigen Baukunst umfassend saniert. Das zweijährige begleitende Monitoring nach der Fertigstellung zeigt: mit Erfolg.

Etwa ein Fünftel der Wohnungen in Österreich sind Altbauten, ein Gutteil davon aus der Gründerzeit 1848–1918. Wegen ihrer dicken Ziegelmauern sind diese Gebäude energetisch zwar ungedämmten Bauten der 1960er-Jahre überlegen, doch im Vergleich zum heutigen Niedrigenergie- oder Passivhausstandard schneiden sie um Größenordnungen schlechter ab.

Da die thermische Sanierung des Gebäudebestands ein Eckpfeiler der EU-Klimapolitik ist, sollten auch für Altbauten sinnvolle Sanierungskonzepte entwickelt werden. Was nicht einfach ist: So verhindern etwa stark gegliederte Fassaden, vorgeschriebene Fensterformen oder Denkmalschutzverordnungen ein simples „Einpacken“. Hinzu kommen soziale und rechtliche Fragen – Stichwort Kategoriemietzins oder unbefristete Mietverträge –, die umfassende Maßnahmen erschweren oder nicht rentabel erscheinen lassen.

Um zu zeigen, was alles machbar ist, initiierte die Gesellschaft e7 die Projektschiene „Gründerzeit mit Zukunft“ im Rahmen des Programms „Haus der Zukunft +“ des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Von 2009 bis 2014 wurden Lösungen für technische, ökonomische, rechtliche und soziale Fragen gesucht und anhand von Demonstrationsprojekten die baulichen Möglichkeiten der Altbausanierung gezeigt.

Eines dieser Objekte steht in der Wißgrillgasse in Wien Penzing, „sehr lärmexponiert neben der Westbahn“, berichtet Walter Hüttler von e7. Am Anfang des Projekts stand die Überlegung, die Wohn- und Lebensqualität zu heben, indem Lüftungsanlagen statt offener Fenster für Frischluft sorgen.

Lüftungsanlage empfohlen

„Eine Lüftungsanlage ist für alle thermischen Sanierungen zu empfehlen“, so Hüttler. Denn Fenster nach heutigem Standard sind praktisch luftdicht. Da damit die frühere „natürliche“ Luftzirkulation wegfällt, bildet sich rasch Schimmel, wenn nach der Sanierung nicht ganz anders gelüftet wird: mindestens fünfmal pro Tag, in Haushalten, in denen viel geduscht, gewaschen oder gekocht wird, sogar noch öfter, lautet die dringende Empfehlung. Doch wer macht das schon? Untertags stehen viele Wohnungen leer. Hier helfen Lüftungsanlagen. „Es gibt auch schon gute Einzelwohnungslösungen“, ergänzt Hüttler.

In das Haus Wißgrillgasse wurden mehrere unterschiedliche Lüftungen eingebaut und ausgewertet, um festzustellen, welches System am energieeffizientesten und benutzerfreundlichsten ist. Außerdem wurde die Fassade gedämmt, das Dach aus- und ein Lift eingebaut, der Keller trockengelegt, eine Pelletszentralheizung für das ganze Haus errichtet. Die zum Zeitpunkt der Sanierung großteils leeren Wohnungen bekamen neue Grundrisse, Balkone oder Terrassen in den Innenhof, neue Fenster und Türen. Solarpaneele wurden an die Außenwand, Fotovoltaikmodule auf dem Dach montiert. Gegen die Kellerüberflutungen bei Starkregen wirken Dach- und Innenhofbegrünung.

Energiebedarf gesunken

Ein zweijähriges Monitoring nach der Fertigstellung 2011 zeigte, dass der Energiebedarf etwa auf ein Viertel bis Fünftel der für Gründerzeithäuser üblichen Werte gesunken ist – der Zielwert des Projekts. „Eine Erfahrung aus allen Demonstrationsprojekten war, wie wichtig die Nachbegleitung ist“, empfiehlt Hüttler ein Monitoring nach allen Sanierungen: um den Erfolg der Maßnahmen nachweisen zu können und zur Qualitätssicherung. „Nur dadurch haben wir zum Beispiel entdeckt, dass die Solaranlage zuerst nicht funktioniert hat.“

Klimavorbildlich also, das Projekt. Doch das hat seinen Preis: Der Eigentümer, ein Bauträger, war bereit, pro Quadratmeter fast so viel zu berappen wie für einen Neubau.

Projektberichte und ein Handlungsleitfaden für Sanierungsinteressierte sind verfügbar unter: www.gruenderzeitplus.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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