Wohnungseigentum: Klageflut um Gärten, Kellerabteile droht

Einfamilienhaus mit blauem Dach
Einfamilienhaus mit blauem Dach(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
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Ein Beschluss des OGH schreit nach einer Reparatur durch den Gesetzgeber. Österreichs Gerichten droht eine regelrechte Klageflut.

Innsbruck. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 4 Ob 150/11d ausgesprochen, dass die wirksame Begründung von Wohnungseigentumszubehör – praktisch geht es dabei insbesondere um Kfz-Abstellplätze, Kellerabteile und Eigengärten, die zu Eigentumswohnungen gehören – erfordert, dass das Zubehör auch eigens im Grundbuch eingetragen ist. Die bloße Berücksichtigung bei der Berechnung des Nutzwerts der jeweiligen Wohnung genügt also nicht.

Was für den Laien zunächst wohl unspektakulär klingt, erfährt seine ganz ungeheure praktische Brisanz aus dem Umstand, dass eine derartige Verbücherung in der Vergangenheit in ganz Österreich nahezu zur Gänze unterblieben ist.

Das Justizministerium hat auf diese Entwicklung, die im Ergebnis darauf hinausläuft, dass gleichsam über Nacht zehntausende Wohnungseigentümer ihre vermeintlichen Rechte an Kfz-Abstellplätzen, Kellerabteilen und Eigengärten verloren haben, gleichermaßen rasch wie besonnen reagiert: Bereits im letzten Sommer wurde ein Expertengremium aus namhaften Vertretern der Richterschaft, der rechtsberatenden Berufe und der Rechtswissenschaft eingeladen, einen gesetzlichen Lösungsvorschlag zur Entschärfung der Problematik auszuarbeiten.

Gesetzesentwurf liegt auf Eis

Der entsprechende Gesetzesentwurf des Justizministeriums liegt nun zwar seit vielen Monaten vor und könnte parlamentarisch jederzeit beschlossen werden. Dem Vernehmen nach verweigert allerdings die SPÖ diesem Gesetzesentwurf ihre Zustimmung bzw. junktimiert diese mit zahlreichen anderen Reformen, deren politische Umsetzung in naher Zukunft wenig realistisch erscheint.

Was bei einer derartigen politischen Strategie allerdings nicht vergessen werden sollte: Die besagte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs datiert vom 22. November 2011, feiert also im Herbst bereits ihren dritten „Geburtstag“.

Gewährleistungsfrist läuft ab

Für die betroffenen Wohnungseigentümer ist dies jedoch kein Grund zum Feiern. Im Gegenteil: Gewährleistungsansprüche aus Rechtsmängeln bei unbeweglichen Sachen – und um diese handelt es sich beim Verkauf von Eigentumswohnungen mit Zubehör, das tatsächlich nicht verbüchert ist – verjähren drei Jahre nach deren Kenntnis; daher ist allen Wohnungseigentümern, die in den vergangenen Jahrzehnten Eigentumswohnungen mit (vermeintlichem) Zubehör erworben haben, dringend anzuraten, spätestens im Herbst 2014 die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Verkäufer in die Wege zu leiten. Angesichts des Umstands, dass die Zahl der betroffenen Wohnungseigentümer in die Zehn-, ja womöglich sogar Hunderttausende geht, muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass Österreichs Gerichten hier eine regelrechte Klageflut droht.

Aber vielleicht siegt ja doch noch die politische Vernunft, und es wird durch den legendären „Federstrich des Gesetzgebers“ kurzfristig dafür gesorgt, dass wieder (Rechts-)Frieden in Österreichs Wohnungseigentumsanlagen einzieht. Die Hoffnung darauf scheint insbesondere deshalb nicht unberechtigt, weil es ja wohl auch bei den politischen Sympathisanten der SPÖ den einen oder anderen geben dürfte, der in den vergangenen Jahrzehnten eine Eigentumswohnung ge- oder verkauft hat.

AUF EINEN BLICK


Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch lehrt am Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck.Wohnungseigentum an Zubehör ist laut OGH nur dann wirksam begründet, wenn es im Grundbuch vermerkt ist. Dort müsste also stehen, dass Top X mit einem Eigengarten, Kellerabteil, Autoabstellplatz usw. verbunden ist. Solange das nicht der Fall ist, zählt das vermeintliche Zubehör rechtlich zum allgemeinen Teil der Liegenschaft.

Andere Eigentümer könnten sich zumindest theoretisch darauf berufen; oftmals werden sie das aber im eigenen Interesse unterlassen, weil sie selbst auf „ihr“ Zubehör nicht verzichten wollen.

Da der OGH am 22.11.2011 so entschieden hat, ist der Rechtsmangel seit bald drei Jahren potenziell bekannt– das Ende der Verjährung naht daher.

Gewährleistung ist beim seinerzeitigen Vertragspartner, dem Verkäufer, geltend zu machen. Wenn dieser nicht mehr existiert, könnte man direkt beim Grundbuch Abhilfe suchen. Sie müsste zumindest so lange möglich sein, wie die Eigentümergemeinschaft noch jener zur Zeit des Erwerbs entspricht. Sonst bleibt nur, auf die Reparatur durch den Gesetzgeber zu hoffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

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