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Frequency: Der Sitzschinken als Botschaft

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Snoop Dogg triumphiert beim Frequency-Festival in St. Pölten. Außerdem: Infantiles von Woodkid, Intensives von Rudimental, Brachiales von Queens Of The Stone Age.

Irgendwo weit weg, da mögen Bomben fallen. Die Kinder, die in Woodkids Lied „The Golden Age" im sonnenbeschienenen Gras herumtollen, fühlen nichtsdestoweniger die große Freiheit in sich. Später mag man sich ein Leben lang nach ihr sehnen, es wird sie nie mehr geben.

Woodkid sinnierte auf seinem Debütalbum im Vorjahr ausgiebig über die Magie der ersten Jahre. Ins Industrieviertel St. Pöltens kam er nun mit Pauken und Trompeten, schließlich muss die Erinnerung an das vermeintliche Paradies Kindheit üppig gefeiert werden. Vor der Bühne erhascht das Auge noch so manches Requisit der Kindheit. Jugendliche haben sich in Tierkostüme gepresst, spielen mit aufgeklebten Schnurrbärten. Allein, die Unschuld der frühen Tage stellt sich nicht mehr ein. Was bleibt, ist alkoholgesättigte Infantilität einer Jugend, die in unserem Teil der Welt noch Jahrzehnte dauern kann.

Abseits von Woodkids Spekulationen um die anhaltende Macht kindlicher Erinnerungswelten bewegte sich die knallige Musik von Rudimental. Drum 'n' Bass, Liquid Funk und puren Pop mischte das zwölfköpfige Ensemble. Ganz leicht verlor man sich im Zauber der Kontraste. Liebestrunkene Seufzer wurden von Stänkereien abgelöst, pure Popmelodik von randalierenden Dubstep-Beats. Das kunstvoll stolpernde, allerlei elektronische Verfremdung praktizierende „Waiting All Night" kitzelte besonders intensiv. Faszinierend, dass diese Kraft der Popmusik meist von den Rändern der Gesellschaft kommt, im Fall von Rudimental aus Hackney, Ostlondoner Brutstätte der Synergien, wo Habenichtse zwischen Kreativität und Kriminalität agieren. Am Ende die Botschaft Liebe. Wenigstens im Imperativ: „Feel The Love!" Ja, eh, wenn's nicht anders geht.

Mancher strebte lieber dem straff organisierten Lärm von Queens Of The Stone Age zu. Der soll ja zwar „metal heavy", aber „soft at the core" sein, wie es im brachialen Opener „You Think I Ain't Worth a Dollar, But I Feel Like a Millionaire" hieß. Aufreizend, wie bürgerlich Sänger Josh Homme anmutete, während er im Stakkato der Rockriffs davon sang, wie Tabletten seine Kehle blockieren. Der alte Dämon Liebe quetschte sich auch hier rein, wurde aber kratzig empfangen: „Indeed a fool am I and I realize you're mine." Das focht jene Anhimmlerinnen nicht an, für die so ein Lackel hauptsächlich interessantes Erziehungssubjekt ist.

Snoop Dogg: Die Kunst der Verzögerung
Die „lost art of keeping a secret" gab Homme vor zu beherrschen. Anderswo wird die Aura des Geheimnisses minder geschätzt. In der Heimat von Snoop Dogg, den Ghettos von L.?A., zählen kühle Knarren, vollbusige Frauen und schnittige Limousinen zur Grundausstattung jeder emotionalen Rede. Die erfolgt idealerweise gereimt und in rhythmischem Fluss. Snoop Dogg, der seit 1992 amtierende Weltmeister in Rap-Coolness, hat den Fluss der Silben ideal verlangsamt. Die kunstvolle Verzögerung ist seine liebste Masche.

Und das Fischen in P-Funk-Gewässern. Niemand anderer hat Roger Troutman, George Clinton und Bootsy Collins häufiger gesampelt als Snoop. Und keiner trägt den Trainingsanzug, dieses vom Nichtstun durchgeschwitzte Insignium der Arbeitslosen und Drogenabusanten, würdevoller als er. In lässiger Pose startete er mit dem die Theokratie verherrlichenden Reggae „Here Comes The King". Snoop ist allerdings ausschließlich Prophet der eigenen Religion, einer Glaubensrichtung, die nichts als Selbstverwöhnung propagiert. Das „Du" kennt er nur in der Sexualität. „Mami can you drip?", fragt er höflich im Song „Wet" vor dem Oralsex. Und dann ging es richtig los. Eine knusprige Coverversion von 50 Cents „P.I.M.P.", ein Ankuscheln an „Calfornia Gurls" (sic!), denen man das Arschwackeln mittels Welthit „Wiggle" gebietet. Diese kühne Präsentation des Sitzschinkens enthält wohl eine zentrale Botschaft unserer Zivilisation. 192 Millionen haben sich das Video auf YouTube angesehen.

Aber Snoop triumphierte auch mit „Gin and Juice" und „Drop It Like It's Hot". Am Ende waren alle glücklich. Am meisten wohl Snoop selbst, der sich mit dem i-Phone bei „What's my Name" filmte und ein Selfie mit den Wackelmassen machte. „We're just having fun, we don't care who sees", lautete die Message in „Young, Wild & Free". Wie wahr!

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