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Frequency: Auch Mütter und 50-Jährige sind verliebt

FREQUENCY 2014: LILY ALLEN
FREQUENCY 2014: LILY ALLENAPA/HERBERT P. OCZERET
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Auch am dritten Tag des Frequency ließ sich profunde Popmusik finden. Mit dem großartigen Stromae und der kecken Lily Allen eroberte attraktive Melodie das Festivalgelände in St. Pölten.

Romantik ist ein schönes Wort. Allein, die Wirklichkeit auf dem Schlachtfeld Liebe sieht meist anders aus. Plappernden Neuronen und wirrer Elektrizität ausgeliefert, kleschen Weiberl und Manderl wider besseres Wissen aneinander. Das passiert auch erfahrenen Fünfzigern, davon kündete Bela B.'s leidenschaftlich heruntergeschrammelter Country-Stomper „Altes Arschloch Liebe“. Klüger als die Instinkte sein zu wollen, das galt hier nicht. „Geh zu den Leuten, die dich wollen“, sang Bela B. und schickte ein Bekenntnis nach: „Hab mich oft auf dich verlassen und war dann doch allein.“

Wenigstens die Fans halten zu ihm. Tapfer harrten sie im kühlen St. Pöltner Regenguss aus. Unterstützt von der Münchner Kombo Smokestack Lightnin' durchpflügte Bela B. in der Folge die munter hoppelnde Ästhetik von Rockabilly und Country.

Lily Allen, schon länger dienendes Londoner It-Girl, haderte ebenfalls im Country-Setting mit der Liebe. Das Banjo-getriebene „Not Fair“ triezte einen charmanten, aber lendenschwachen Liebhaber. „I spend ages givin' head, but you never make me scream...“, klagte Allen. Das Glück ihrer zweifachen Mutterschaft illustrierte sie mit einem Parcours aus überdimensionalen Babyfläschchen, den sie, im rosa Minirock wackelnd, oftmals an diesem Abend bewältigte. „Mumback“ nannte sie ihre Rückkehr in die Showarena. Zum Reiz ihrer Songs trägt ihr immer noch unbewältigter Minderwertigkeitskomplex entscheidend bei.

In dieser Hinsicht funktionierte sie ähnlich wie Kanye West. Beide orten die eigenen Schwächen stets bei anderen. Und so disste Allen ungeniert die Kollegenschaft von Lady Gaga bis Beyoncé in „Sheezus“. Ihr glockenhelles Trällern durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Miss Allens Mission eine durch und durch stutenbissige ist.

Stinkefinger. Das ahnt sie selbst. „Maybe it's instinct, we're only animal, maybe it's healthy, maybe it's rational“, schlug sie zunächst als Motiv ihrer galoppierenden Missgunst vor. Am Ende schob sie alles auf die Biologie. „Periods, we all get periods. Every month, that's what the theory is.“ Und sie warnte: „Be nice to me, I'll make you one of my disciples.“ Das war nur fair. Mit „Fuck You“ zeigte sie noch allen Autoritätsfiguren rasch den Stinkefinger, ehe sie mit dem fröhlichen Reggae „Smile“ ihr Set beendete.

Das gefiel. Wesentlich höher in der Publikumsgunst stieg aber der Belgier Stromae, der mit viel Animo billige Synthie-Beats und Trompetengequäke mit doppelbödigen Texten verband. Noch viel frappierender waren die geometrisch ausgerichteten, aber doch sehr sinnlichen Tanzfiguren des hageren, über 1,90 m großen Musikers. Sein interessantester Beitrag zum Thema Romantik war der Song „Batard“, in dem er mit den sozial festgelegten Geschlechtergrenzen haderte. Bei seinen Techno-Chansons „Papaoutai“ und „Ta fête“ tobte die Massen nahe der Entrücktheit. Recht so.

Das Festival

2001 fand das Frequency erstmals statt, in der Arena in Wien. 2002 übersiedelte es nach Salzburg, seit 2009 spielt man in
St. Pölten. 2013 wurden 135.000 Besucher gezählt, heuer waren es laut Veranstaltern 200.000. Das Festival war ausverkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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