Deutschland: Neue Rechte lässt Merkel zittern

Bernd Lucke
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Die Alternative für Deutschland (AfD) dürfte am Sonntag ihren Siegeszug durch Ostdeutschland fortsetzen. Für die Union wird sie immer mehr zur Bedrohung.

Berlin. Ist Dürrhennersdorf bald überall? Bis vor Kurzem kannten nur Meinungsforscher das sächsische Dorf: als Kuriosität, als winzige Hochburg einer Partei, die es vor eineinhalb Jahren noch gar nicht gab. Schon bei Bundestags- und Europawahl hatte die Alternative für Deutschland (AfD) dort ihre besten Ergebnisse. Bei der Sachsen-Wahl war es dann ein Drittel der Stimmen. Aber da zog die konservative Protestpartei schon erstmals in einen deutschen Landtag ein, mit fast zehn Prozent. Der Triumphzug durch Ostdeutschland geht weiter: Auch für die Wahlen in Thüringen und Brandenburg am Sonntag dürften die Rebellen von rechts locker über die Fünf-Prozent-Hürde springen.

Die anfängliche One-Man-Show des Ökonomen Bernd Lucke, der eine kleinere Eurozone will, entwickelt sich zu einem Machtfaktor in der deutschen Politik, allem internen Dauerstreit und medialen Misstrauen zum Trotz. Die AfD könnte sich als etwas etablieren, was es bisher in der Bundesrepublik nicht gab: eine einigermaßen vorzeigbare politische Option rechts von CDU/CSU – was weder die rabiaten Republikaner noch die Schill-Partei schaffte, von der klar rechtsradikalen NPD ganz zu schweigen. Das ist eine Bedrohung für Merkels Union. Am Aderlass, den die SPD durch Grüne und Linkspartei erlitt, zeigt sich spiegelbildlich, wie eine Volkspartei schrumpft, wenn sie an ihren Rändern die Flanke offen lässt.

Vakuum am rechten Rand

Die Kanzlerin hat die CDU modernisiert und in die Mitte rücken lassen. Windräder ersetzen Atomkraftwerke, das Frauen- und Familienbild macht den gesellschaftlichen Wandel zögerlich mit. Das schafft ein Vakuum am rechten Rand, das die AfD nun füllt. Hier sammeln sich Alte, die sich von den Christdemokraten verraten fühlen und traditionelle Sicherheiten zurückersehnen: Recht und Ordnung, Stolz auf alles Deutsche und geschlossene Grenzen. Aber auch Junge auf der Verliererseite, die sich von den „Altparteien“ vernachlässigt fühlen. Weit weniger fühlen sich Mittelständler angesprochen, denen die FDP als Garant für solide Finanzen und eine wirtschaftsfreundliche Politik abhandengekommen ist. Dem Niedergang der Liberalen, die auch in Thüringen und Brandenburg scheitern dürften, steht nur rechnerisch das Erstarken der AfD gegenüber.

Merkel hat ihr Machtwort gesprochen: keine Koalitionen mit der neuen Konkurrenz, weder im Bund noch in den Ländern. Eine Abkehr von der Eurorettungspolitik würde die Union auch völlig unglaubwürdig machen. Aber die neuen Themen greift Merkel auf. Die Weltpolitikerin, die mit Putin telefoniert, sorgt sich plötzlich um Diebstähle an der polnischen Grenze. Da sollen jetzt mehr Polizisten hin, zumindest in Brandenburg, wo die CDU in Opposition ist.

Strategie: Ausgrenzen und Aussitzen

Auch Ängste, die der Ansturm von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten bei der AfD-Klientel auslöst, will sie „ansprechen und einer Lösung zuführen“. Im Übrigen lautet die Devise der Union: Ausgrenzen und Aussitzen, in der Hoffnung, dass sich der Spuk bald von selbst erledigt – wie bei den Piraten. Doch die AfD ist straffer organisiert, hat Geld und stammtischtaugliche Themen. Vor allem aber: Sie füllt eine echte Lücke am rechten Rand, während sich die Piraten zwischen drei ähnlichen linken Parteien drängten.

Wie geht es weiter mit der AfD? Politologe Werner Patzelt skizziert vor der Auslandspresse drei Pfade: Im harmlosen Fall wird sie zu einer „bundesweiten CSU“. Oder sie radikalisiert sich zu „einer Art Front National“. Als Mittelweg sieht er den „nationalliberalen“, für den einst die FDP stand: „ordnungspolitische Liberalität“, verbunden mit „nationaler Empathie“, die in Deutschland für sich allein „verpönt“ bleibt, aber in dieser Kombination vielleicht wieder salonfähig wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2014)

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