Gas: Russland rasselt wieder mit dem Säbel

Walter Boltz
Walter Boltz(c) Die Presse - Bruckberger
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Seit einigen Tagen liefert Russland weniger Gas, als vom Westen bestellt. Das dürfte eine Reaktion auf die verschärften Sanktionen sein. Moskau kann damit zwar Aufregung verursachen, echte Auswirkungen gibt es nicht.

Wien. Einfach nicht antworten. So lautet zur Zeit die Devise bei der russischen Gazprom, wenn aus dem Westen Anfragen kommen, warum weniger Gas geliefert wird. Wie in einem Teil der Freitagausgabe berichtet, kommen hierzulande seit Donnerstag nur mehr 85 Prozent der von der OMV bestellten Menge an. Ähnlich ist die Situation in der Slowakei oder Polen.

An sich seien Lieferschwankungen in dieser Größenordnung nichts Ungewöhnliches, heißt es bei OMV und E-Control. Ungewöhnlich sei jedoch, dass kein Grund dafür genannt wird. „Normalerweise geben die Russen sofort schriftlich Auskunft, warum weniger geliefert wird“, so E-Control-Chef Walter Boltz. Diesmal werde auf diese Anfragen aber einfach nicht reagiert. Es kann also getrost angenommen werden, dass der Grund dafür politisch motiviert ist. So fällt der Zeitpunkt des Druckabfalls im Gasnetz just mit dem Inkrafttreten der verschärften Sanktionen gegen Russland zusammen.

Doch was kann Russland mit einem Druckabfall um 15 Prozent bewirken? Ist das der Beginn einer neuen Gaskrise?

Die Antwort darauf lautet Nein. Dass es im Lauf des Winters mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Liefereinschränkungen in irgendeiner Art kommen dürfte, wird von allen Energieexperten erwartet. Derzeit ist es aber einfach noch viel zu früh, damit diese Einschränkungen Wirkung entfalten.

So ist aufgrund der sommerlichen Temperaturen der Verbrauch in Europa so niedrig, dass es Gas im Überfluss gibt. Hinzu kommt, dass viele Gaskraftwerke vom Netz genommen wurden, weil sie derzeit nicht wirtschaftlich sind. „Wir können trotz der Reduktion um 15 Prozent nicht nur den Bedarf stillen, sondern darüber hinaus auch die Speicher noch weiter auffüllen“, heißt es bei der OMV. Letztere seien bisher zu 98 Prozent gefüllt, per Ende September sollen es 100 Prozent sein. Boltz hält es daher für möglich, dass die Kürzung echte technische Gründe hat – etwa, dass die Russen ihre eigenen Speicher vor dem Winter verstärkt füllen müssen – und angesichts des Timings mit den Sanktionen einfach der Grund nicht genannt wird, um in Europa Aufregung zu verursachen. „Gäbe es die Ukraine-Krise nicht, würde jeder davon ausgehen, dass halt ein Sachbearbeiter auf Urlaub ist. Nun schauen aber alle hin.“

Westen versorgt die Ukraine

Doch mit dem Schüren von Ängsten in der Öffentlichkeit ist der Effekt der aktuellen Liefereinschränkung auch schon wieder vorbei. Echte Auswirkungen hat eine Kürzung um 15 bis 20 Prozent auch langfristig nicht. Dieses Ausmaß könne nämlich zu großen Teilen von einer Steigerung der Produktion in Norwegen abgefangen werden, so Boltz. Und für den Rest gebe es die europaweit prall gefüllten Speicher, die im Winter ohnehin angegriffen werden müssen.

Auch die Versorgung der Ukraine aus dem Westen – der sogenannte Reverse-Flow – sei somit gesichert. Seit einigen Wochen wird russisches Gas über Polen, Ungarn und die Slowakei ja wieder in die Ukraine zurückgeleitet. Schlussendlich soll Kiew so 16 Mrd. Kubikmeter pro Jahr erhalten, die Hälfte des gesamten Importbedarfs. Kurzfristig musste Polen am Donnerstag den Reverse-Flow zwar einstellen, weil der überraschende Druckabfall im Gasnetz dies notwendig machte. Wenn sich Polen aber auf dauerhaft niedrigere Gasflüsse einstellt, kann dieser Druckabfall durch zusätzliche Lieferungen aus Deutschland wieder ausgeglichen werden. Dies ist am Freitag bereits geschehen.

Dass Russland den Reverse-Flow, den es immer wieder öffentlich als unrechtmäßig kritisiert, gern stoppen würde, um die Kälte im Winter als Waffe zu verwenden, ist allen Beteiligten klar. Die einzige Möglichkeit dazu wäre jedoch, die Lieferungen nach Europa über mehrere Monate nahezu vollständig einzustellen. Nur dann würde das gespeicherte Gas der Europäer knapp werden und sie dürften die Lieferungen in die Ukraine kappen.

Dies wäre aber ein Vertrauensbruch, den es nicht einmal in den finstersten Tagen des Kalten Krieges gegeben hat. Und der hätte auch für Russland drastische Folgen: Kein Europäer würde sich mehr auf den für Russland wichtigen Devisenbringer Erdgas verlassen wollen. Der Ruf nach Alternativen würde noch lauter werden.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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