Glawischnig und die sanfte grüne Revolution

Eva Glawischnig
Eva Glawischnig(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Die Grünen stehen besser da denn je – nicht erst seit Vorarlberg. Wie der Führungsstab um Eva Glawischnig aus einer alten Dogmenpartei eine erfolgreiche Bewegung gemacht hat.

Wien. Als Eva Glawischnig im Jahr 2008 die Grünen von Alexander Van der Bellen übernahm, waren die Prognosen einhellig: Anders als der beliebte Professor werde sie wohl nicht in der Lage sein, über die grüne Stammklientel hinaus Wähler anzusprechen. Mit der Partei müsse es also zwangsläufig bergab gehen.

Sechs Jahre später stehen die Grünen besser da denn je. Bei der Vorarlberg-Wahl durfte sich Glawischnig gleich mehrmals freuen: über die 17,1 Prozent, das zweitbeste Ergebnis in der Parteigeschichte nach Salzburg 2013 (20,2Prozent). Über die siebente Wahl in Folge, bei der die Grünen zulegten. Und über sehr gute Chancen, demnächst an der sechsten Landesregierung beteiligt zu werden.

Die eine Erklärung für die grüne Wahlsiegesserie gibt es nicht, es handelt sich um ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, im Grunde aber um eine Mischung aus strategischem Geschick und gutem Gespür – vielleicht dem derzeit besten– für einen beweglicher werdenden Wähler, dem Themen wichtiger sind als Parteien. Vor allem hat die Parteichefin die richtigen Personalentscheidungen getroffen. 2009 warb sie Stefan Wallner von der Caritas ab und machte ihn zum Bundesgeschäftsführer. Wallner holte zwei Jahre später den Marketingexperten Martin Radjaby von Ö3. Gemeinsam – Glawischnig als politischer Kopf, Wallner als strategisch-organisatorischer und Radjaby als Kommunikationschef – begann man, die Partei neu aufzustellen.

2012, ein Jahr vor der Nationalratswahl, gab die Parteispitze eine Studie in Auftrag, um die Sorgen und Wünsche bekennender und potenzieller Grünwähler zu ermitteln. Der Gedanke dahinter: Wenn die Grünen wachsen sollen, müssen sie ihre Zielgruppe erweitern. Die Ergebnisse lassen sich seither von ihren Plakaten ablesen. Es geht um Antikorruption, Bildung, Umweltschutz und eine staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik mit dem Hauptschlagwort Umverteilung.

Daneben wurde der Außenauftritt vereinheitlicht. Während die Landesparteien früher mehr oder weniger machten, was sie wollten, gibt es heute eine gemeinsame, von der Bundespartei vorgegebene Strategie. Dazu gehört auch eine neue Sprache. Die Fundi-Rhetorik mit ihren Dogmen und ihrem prinzipiellen Dagegen-Ansatz – gegen Atomkraft, gegen Autoverkehr etc. – wurde durch kurze, zugespitze Botschaften ersetzt, die manchmal witzig, manchmal an der Grenze oder schon dahinter (Stichwort Ernst Strasser), aber nie emotionslos sind.

Neue Politikergeneration

„Konzeptiv“, sagt Bundesgeschäftsführer Wallner, „waren die Grünen immer schon gut. Aber bei der Übersetzung hat es gehakt. Jetzt gelingt es uns, lebensnäher zu kommunizieren.“ Außerdem gebe es eine neue Generation von Politikern und, vor allem, Politikerinnen, „die diese Inhalte glaubwürdig verkörpern“. Eine Astrid Rössler in Salzburg, eine Ingrid Felipe in Tirol stünden für einen modernen Lebensentwurf. Auch deshalb seien die Grünen bei Frauen unter 40 Jahren die stärkste Partei – wie man in Vorarlberg wieder gesehen habe.

Einen Schönheitsfehler aber hat der Erfolgslauf. Mit 12,4 Prozent erreichten die Grünen im Vorjahr zwar ihr bestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl. Allerdings blieben sie weit hinter den (eigenen) Erwartungen zurück. Das könnte mit einem ideologischen West-Ost-Gefälle innerhalb der Partei zu tun haben. Wallner hält das jedoch für eine medial konstruierte „Falschinformation“, wie er sagt: „Wir sind inhaltlich konsistent, über alle Länder hinweg.“ Wenn er recht hat, hat sich das zumindest noch nicht zu den Grün-Sympathisanten in Westösterreich durchgesprochen. Vielen von ihnen sind die Bundesgrünen nämlich nicht bürgerlich genug. Manche sagen auch: zu links.

AUF EINEN BLICK

In Vorarlberg beginnen am Dienstag die Koalitionsgespräche. Die ÖVP, die am Sonntag ihre absolute Mehrheit verloren hat, will mit allen Parteien reden. De facto gibt es aber nur zwei Varianten: eine Koalition mit der FPÖ (23,5 Prozent) oder mit den Grünen (17,1). Schwarz-Rot wäre– mit einer schwachen SPÖ (8,8) – nicht ausreichend abgesichert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

LANDTAGSWAHL IN VORARLBERG: RAUCH
Innenpolitik

Johannes Rauch: Der zweitgrößte Erfolg seines Lebens

Ein Grüner der ersten Stunde, ein routinierter Bergsteiger, der nicht nur die Höhen, sondern auch die Tiefen kennt: Johannes Rauch, der Wahlsieger vom Sonntag.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.