Ein Heimat-Film, ganz ohne Statisten

Wenn Verfolgung, Vergewaltigung und Mord drohen, dann muss geholfen werden. Genau deshalb sollte man auch über „Wirtschaftsflüchtlinge“ reden.

Wie kann man nur? So hartherzig sein. So menschenverachtend. Ekelerregend. Szenen wie aus einem Seidl-Film. Schockiert über den Fremdenhass. Ich schäme mich für dieses Land.

So und so ähnlich lauteten die Kommentare in den Sozialen Medien auf den „ZiB2“-Bericht aus Spital/Semmering am Montag dieser Woche. In einer Versammlung hatten mehr oder weniger aufgebrachte Bürger ihrem Unmut Luft gemacht. Nicht immer in einem dem progressiven Twitter-Diskurs angemessenem Ton. Mitunter fühlte man sich tatsächlich an frühere Haider-Veranstaltungen erinnert.
Und da zeigt sich auch schon das Hauptproblem – sofern man angesichts dessen, was in Syrien und Umgebung passiert, von einem Hauptproblem sprechen kann: Viele Menschen sind nicht in der Lage, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Jene, die gegen die Flüchtlinge – pardon: Refugees, wie das neuerdings ganz politisch korrekt heißt – Stimmung machen, können sich nicht vorstellen, was diese hinter sich haben: Verfolgung, Vertreibung, möglicherweise Vergewaltigung. All das mit der Aussicht auf Ermordung.
Aber: Auch jene, die da dem Alltagsfaschismus in Österreich nachspüren und lauter herzlose Hinterweltler orten, können sich nicht in deren Lage hineinversetzen. Einer Gemeinde mit 1500 Einwohnern 200 Flüchtlinge – wir bleiben der Einfachheit halber einfach einmal bei diesem Terminus – zu schicken. war nicht der Weisheit letzter Schluss. Im Ort Steinhaus, in dem das Hotel steht, leben 170 Leute.
Die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht. Man kann verstehen, dass dies die dort Ansässigen überfordert. Sie haben Angst. Und – sprechen wir es aus: Sie haben nicht vor den fremdländischen Frauen, die da kommen, Angst, und auch nicht vor den Kindern (erst später vielleicht, wenn diese mit den eigenen in den Kindergarten oder in die Schule gehen sollten), sondern vor den Männern. Denn die Erfahrung, etwa mit Tschetschenen, lehrt auch: Diese haben nicht nur selbst Gewalt erlebt, manche geben diese dann auch weiter.
Dennoch bleibt unbestritten: Wer verfolgt wird, soll Asyl bekommen. So großzügig Österreich in der Vergangenheit bei Ungarn oder Bosniern war, so großzügig sollte es auch heute angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien sein.

Und da sind wir schon beim nächsten Problem: Die Flüchtlingslager wie Traiskirchen sind bereits überfüllt. Und droht dann eine größere Flüchtlingswelle wie jetzt, dann gibt es für jene, die wirklich Hilfe brauchen, keinen Platz mehr. Denn – und das ist die unangenehme Wahrheit: Es gibt eben Menschen, die in ihrer Heimat nicht wirklich verfolgt werden, die aber dem dort vorherrschenden Elend entfliehen wollen und hier ihr Glück versuchen. Man kann es ihnen nicht verdenken. Sie riskieren Leib, Geld und Leben, um über Schlepperrouten in Autos versteckt oder in Booten über das Mittelmeer in das gelobte EU-Europa zu kommen.
Und dennoch muss man sie – herzlos, aber doch – als das bezeichnen, was sie sind: sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge. Nicht alle, aber viele. Und diese Vielen haben dann eben auch kein Anrecht auf Asyl. Ein Blick in die Top-ten der Asyl-Statistik 2013 verdeutlicht dies: Anträge von Russen wurden nur zu 25 Prozent positiv beschieden, von Pakistanis zu 2 Prozent, Kosovaren (2 Prozent), Marokkaner (0), Algerier (0). Asyl bekamen vor allem Syrer und Iraner (je 76).

Daher ist es nach wie vor vordringlich, die Dauer der Asylverfahren zu begrenzen. Aber auch über eine Arbeitserlaubnis für Asylwerber muss geredet werden, damit jene Männer, vor denen sich die Einheimischen nun fürchten, auch etwas zu tun haben. Einen Schritt in die richtige Richtung scheint die Regierung nun bei der Aufteilung der Flüchtlinge zu machen: Die Quotenregelung soll auf die Gemeinden heruntergebrochen werden. Das würde im Idealfall bedeuten, dass viele Gemeinden wenige Flüchtlinge aufnehmen. Und nicht eine 1500-Einwohner-Gemeinde 200. Was für alle Beteiligten, die Gemeindebürger wie die Flüchtlinge, besser wäre.
Möglicherweise auch für die allzeit Empörungsbereiten in der Social-Media-Parallelwelt.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com


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