Wer Neid sät, wird Berufspolitiker ernten

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Symbolbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Schimpfen über Gehälter oder Cooling-off-Phasen dürfen nicht dazu führen, dass keiner mehr in die Politik will. Transparenz aber ist das Um und Auf.

Unverschämt, dass diese EU-Abgeordneten auch noch Zusatzverdienste haben. Die verdienen eh schon genug! Das ist eine mögliche Reaktion auf die Liste der Nebeneinkünfte von EU-Abgeordneten.

Aber ist es die richtige Reaktion? Wer Neid sät, wird ein Parlament voller Berufspolitiker und Beamten ernten. Schon jetzt befinden sich im Parlament, auf EU- und auf nationaler Ebene, zu wenige Leute, die über Erfahrung in der freien Wirtschaft verfügen. Dabei sollte eine Volksvertretung die Bevölkerung repräsentativ abbilden. Gegen Nebeneinkünfte von Abgeordneten ist daher grundsätzlich nichts einzuwenden. Es sollte dem Parlamentarismus nicht schaden, wenn dort Leute am Werk sind, die wissen, wie man gut wirtschaftet.

Das Um und Auf aber bleibt die Transparenz. Die Wähler sollen wissen, wer sein Geld von wem erhält. Damit man den Mandataren auf die Finger schauen und auf Interessenkonflikte achten kann. Nach dem Fall Ernst Strasser müssen EU-Abgeordnete zwar genaue Erklärungen über ihre Einkünfte abgeben, doch es bedurfte der Hilfe von Transparency International, um diese übersichtlich darzustellen. Ein lobenswertes Unterfangen, nur eigentlich sollte das Parlament von sich aus eine solche übersichtliche Tabelle publizieren.


Noch strengere Maßstäbe werden zu Recht an einen Regierungsposten gelegt. Kommissar oder Minister ist ein Vollzeitberuf, der sich nicht mit anderen Jobs oder Unternehmensbeteiligungen verträgt. Zumal man ja auch öffentliche Aufträge vergibt. Über die zuletzt nach Österreich übergeschwappte Idee einer Cooling-off-Phase für Minister nach dem Ausscheiden aus dem Amt kann man ebenso diskutieren. Schließlich soll ein Minister von einer Firma nicht abgeworben werden, damit sie aufgrund seines Insiderwissens aus dem Ministerium noch profitiert.

So eine Cooling-off-Phase – im Gespräch ist hierzulande eine Periode von einigen Monaten bis zu einem Jahr – darf aber nicht in ein Arbeitsverbot ausarten. Und sie soll nicht Leute bestrafen, die den Sprung in die Politik gewagt haben. Auf den ersten Blick sagt es sich leicht, dass Minister nicht in Branchen wechseln dürfen, mit denen sie im Amt Kontakt hatten. Ein Verkehrsminister soll also nicht in ein Verkehrsunternehmen wechseln. Nur wohin soll dann ein Wirtschaftsminister wechseln, der für die gesamte Ökonomie zuständig war?

Cooling-off-Phasen wären nur sinnvoll, wenn man im Einzelfall entscheidet, welche Position mit dem früheren Amt unvereinbar ist. Eine Entscheidung, die man in Österreich etwa dem Verfassungsgerichtshof überantworten könnte. Natürlich könnte man den großen Nutzen von Cooling-off-Phasen auch dann noch hinterfragen. Wenn ein Minister, nachdem er ein bisschen „abgekühlt“ ist, wieder für jede Firma arbeiten darf, wird er ja auch noch über beste Kontakte ins Ministerium verfügen. Diese verliert man nach ein paar Monaten meist nicht.

Wichtiger als ein Cooling-off-Gesetz wäre Transparenz in Ministerien. Damit ein Ex-Politiker, der jemanden kennt, der wiederum jemanden kennt, gar keine Chance hat, unbotmäßigen Einfluss auf Ministerien zu nehmen. Umso nötiger wäre eine Reform des Amtsgeheimnisses, um die Geheimniskrämerei im Staate Österreich zu beenden. Die bisherigen Pläne der Regierung dafür gehen nicht weit genug. Insbesondere fehlt ein unabhängiger Transparenzbeauftragter.

Was wiederum Abgeordnete betrifft, so bringen selbst die schönsten Transparenzlisten wenig, wenn man als Bürger bei der Wahl erst recht die von der Partei vorgesehenen Kandidaten übernehmen muss. Ein echtes Persönlichkeitswahlrecht tut not, die jetzige Vorzugsstimmenregel ist eine Augenauswischerei.


Natürlich nützen Transparenzlisten nur dann etwas, wenn falsche oder fehlende Angaben bestraft werden. So müssen hierzulande Parteien zwar erstmals einen detaillierten Rechenschaftsbericht abliefern. Wer nichts abgibt, hätte aber keine Sanktionen zu fürchten.

Es gibt also noch viel zu tun in puncto Transparenz. Besser verbringt man die Zeit damit, hier Lücken zu schließen, als Politiker um ihre Aufgaben zu beneiden.

E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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