Angelika Kirchschlager hat Lust auf Intimes

Foto: Julia Stix
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Großes Tamtam mag sie nicht: Angelika Kirchschlager kann der privaten Atmosphäre der Salonkultur einiges abgewinnen. Solange sie nicht über Haarspaltereien Diskutieren muss.

Oja, das gibt's durchaus noch", sagt Angelika Kirchschlager auf die Frage, ob es den „Salon" klassischen Zuschnitts noch gäbe, ob adelig oder großbürgerlich - gewisse Facetten davon haben sich erhalten. Eine international renommierte Sängerin kann davon erzählen, wie oft sie als Repräsentantin der hehren Kunst zu entspechenden Zusammenkünften geladen wird. „In Amerika", sagt die Kammersängerin, „gehört das zum Beispiel unbedingt dazu, dass Künstler bei Veranstaltungen von Sponsoren erscheinen." Und zwar nicht nur bei den notorischen Parties, sondern bei noblen Seancen, die auch dem Gespräch über die Kunst geweiht sind. „Natürlich gibt es so etwas auch in Wien", ergänzt die Sängerin gleich, „manchmal gerät man dabei sogar in geradezu haarspalterische Diskussionen musikalischer oder theatralischer Probleme."

Die Situation, in der sich Angelika Kirchschlager also in der Oper „Capriccio" wiederfindet, ist so fremd nicht, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. „Wenn man das Libretto das erste Mal liest", sagt sie, „ist man schon irritiert." Tatsächlich haben sich Richard Strauss und sein, das Libretto dichtender, Dirigenten-Freund Clemens Krauss da einem zweistündigen Disput über das Thema „Wort oder Ton", über die Vormachtstellung der Musik oder des Textes in der Oper hingegeben - in Form eines „Konversationsstücks", wie es im Untertitel heißt, in die Zeit des Rokoko verlegt, auf ein gräfliches Landgut in Frankreich.

Andere Sorgen.

„Aber", erzählt Kirchschlager weiter, „mit der Zeit lernt man die Figuren, die da dargestellt werden, doch lieben. Irgendwie kennt man sie alle, den Komponisten, den Dichter, den schrulligen Theaterdirektor, der so aufgeht in seiner Liebe zum Metier, so für seine Sache brennt, und der immer liebenswerter wird, je mehr ihn die andern als altmodischen Impresario verspotten. Und in Wahrheit geht es ja doch um eine Liebesgeschichte, denn sowohl der Komponist als auch der Dichter sind in die Gräfin verliebt, eine junge Witwe, die sich zwischen den beiden nicht entscheiden kann. Und der Treppenwitz ist, dass ihr Bruder, der Graf, der Oper für ein völlig verstiegenes Kunstprodukt hält, zuletzt der ist, der den absurden Vorschlag macht, aus ihrer Unterhaltung eine Oper zu machen." Und weil nichts absurd genug ist, dass es nicht tatsächlich als Opernstoff herhalten könnte, ist „Capriccio" entstanden - und zwar mitten im Zweiten Weltkrieg, 1942 fertiggestellt und uraufgeführt.

Richard Strauss hat sich mit seiner Musik damals, als die Welt wirklich andere Sorgen hatte als die Frage, ob Klänge oder Worte im Musiktheater führen sollten, eine realitätsvergessene Oase geschaffen. Doch weil die Personen, die er textlich und musikalisch auf die Bühne bringt, so altvertraut wirken, interessiert sein Werk heute noch, wird vom Verdrängungs-Theater doch irgendwie zum Spiegel des Lebens, des Künstlerlebens zumindest. „Auch wenn sich das aufs Erste wie ein Gemeinplatz liest, was da über die Kunst gesagt wird", meint Angelika Kirchschlager, die überdies froh ist, in dem Spiel nicht die umschwärmte Gräfin zu spielen, sondern die Schauspielerin Clairon, „die ist die realistischere der beiden Frauenfiguren, eine berühmte Schauspielerin, die im Salon der Gräfin ihren Platz hat, aber nicht allzu viel an den kunsttheoretischen Haarspaltereien teilnimmt." Umschwärmt ist sie übrigens auch, vom Dichter wie vom Grafen, der dem „wirklichen Leben" mehr zugetan ist als dem schönen Schein der Kunst.

Ohne Rummel.

Für Angelika Kirchschlager sind die Auftritte in diesem singulären Opern-Salon inklusive der Wiederaufnahme in der kommenden Spielzeit die wichtigsten Opern-Termine der kommenden Monate: „Ich hab' ja eigentlich die intimeren Sachen lieber", bekannte sie jüngst als Stargast im „Presse"-Musiksalon im Musikverein. Tatsächlich entsteht im Sommer eine neue CD mit Brahms-Liedern, am Klavier begleitet von Graham Johnson - und mit Simon Keenlyside setzt die Sängerin ihre erfolgreiche Operetten-Tour, die heuer begann, in London und Paris fort.

Wiener Opernfreunde, apropos „intimere Sachen", sehen die Sängerin in der Produktion von Händels „Ariodante" im Theater an der Wien im Herbst. Und mit dem Staatsopern-Ensemble geht es zu einem Gastspiel mit Mozarts „Così fan tutte" nach Tokio.

Und die Heimatstadt Salzburg? „Na ja, es gibt immer wieder Gespräche, ob mit Jürgen Flimm oder mit Markus Hinterhäuser. Vielleicht wird's einmal ein Konzert. Im Übrigen mag ich den sommerlichen Rummel aber nicht allzu sehr. Ich bin gegen das große Tamtam." Also doch mehr für den Salon. Zumindest jetzt einmal auf der Staatspern-Bühne . . .

Capriccio
Premiere: 7.6., Staatsoper Wien
01/513 15 13

www.staatsoper.at

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