Usbekistan: Fernsehgeräte für das Volk

(c) Irene Zöch
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Präsidententochter Karimova, stellvertretende Außenministerin für Kulturelles, wird von der Bevölkerung wie ein Star bejubelt. Und als mögliche Thronerbin gehandelt.

Die Jahrtausende alte Seidenstraße ist Usbekistan schon längst zu eng geworden. Neue Autobahnen sind gefragt, die das zentralasiatische Land direkt mit dem Westen verbinden. So wie die kerzengerade Schnellstraße durch die saftig grünen Berge, die der Fahrer in einem Höllentempo bezwingt. Hin und wieder bremst er, wenn Ziegen oder Kühe die Fahrbahn überqueren wollen. Dörfer sind nicht zu entdecken in dieser leeren, mächtigen Landschaft Zentralasiens.

Doch dann, in einem Talkessel hat sich eine bunte Menschenmenge versammelt. Zelte aus orientalischen Teppichen stehen stolz auf der Anhöhe. Davor haben es sich Mädchen in bestickten Gewändern bequem gemacht. In einer Senke werfen sich zwei kräftige Männer gegenseitig auf die Matte. Sie üben sich in Kurasch, dem traditionellen usbekischen Ringkampf. Tausende schauen fasziniert zu. Am Hügel oben balancieren unterdessen Burschen mit langen Stangen in den Händen auf einem Seil, das über eine Holzkonstruktion gespannt ist.

„Heute wird gefeiert“, sagt Akgul. Die Frau mit dem vom Wetter gegerbten Gesicht kommt aus einem Dorf 120 Kilometer von der uralten Stadt Schachrisabs entfernt. Dort lässt man heute usbekische Traditionen, altes Kunsthandwerk, Gesang und Küche hochleben. Das wollte sie sich nicht entgehen lassen. Stolz zeigt sie ihre Stickarbeiten her.

Feiern nach alter Tradition

Die Usbeken feiern sich selbst bei dem Festival „Asrlar sadois“ – „Echo der Jahrhunderte“ – und vor allem die Organisatorin Gulnara Karimova, die Tochter des Präsidenten Islam Karimov. Bei der abendlichen Gala der Volksmusik, die live im Fernsehen übertragen wird, tritt die 35-Jährige als Stargast und Gastgeberin zugleich auf. Traditionell gekleidet, verteilt sie Urkunden und Fernsehgeräte an die besten Volksmusikanten des Landes. Das Volk dankt es Karimova mit tosendem Applaus.

Als sie sich wenig später unter die Tanzenden vor der Freiluft-Bühne mischt, springen reihenweise die Besucher auf und wiegen ihre Hände im Takt. Dort verehrt man Karimova. Eine, die sich unters Volk mischt und allein dafür gemocht wird.

Gulnara Karimova ist die ältere der beiden Töchter des Präsidenten Islam Karimov. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist der 70-Jährige im Amt und lenkt das zentralasiatische Land mit strenger Hand. Der in Moskau ausgebildete Hardliner unterhält nach wie vor gute Beziehungen zu Russland. Sein Flirt mit den USA war nur von kurzer Dauer. Denn als im Mai 2005 in der Stadt Andischan Proteste blutig niedergeschlagen wurden und Karimov das Militär aufs Volk schießen ließ, erkalteten die Beziehung mit dem Westen schnell. Dass Taschkent in diesem Frühjahr die Todesstrafe abschaffte, wird als erstes Anzeichen von Tauwetter gewertet.

Machtsicherung in der Familie

Eine Verbesserung des Klimas zu erreichen, ist auch die Aufgabe seiner Tochter Gulnara, die in den USA Politikwissenschaften studiert hat. Erst im Februar hat er die 35-Jährige zur stellvertretenden Außenministerin für Kulturelles ernannt. Beobachter meinen, der Hauptgrund dafür sei die Machtsicherung innerhalb der Familie. Immer öfter wird der Name Gulnara Karimova als mögliche Thronerbin genannt. Darauf angesprochen, lacht sie kokett. „Denken das politische Beobachter? Natürlich vertrete ich eine neue Generation“, meint sie und spielt gedankenverloren mit ihren langen Haaren.

Mit dem von ihr ins Leben gerufenen „Forum für Kultur und Kunst in Usbekistan“ kümmert sich Karimova aber hauptsächlich um die künstlerische Förderung von Kindern, um massenkompatible Festivals wie jenes bei Schachrisabs, die Verteilung von Fernsehgeräten an finanzielle schwache Bevölkerungsgruppen und um Modeschauen und Design-Messen, bei denen Karimova ihre eigenen Kollektionen präsentiert.

Die Vize-Außenministerin entwirft Kleidung und Schmuck, hat als „GooGoosha“ eine Solo-CD aufgenommen, schreibt Gedichte und posiert gerne als Model. „Kultur war schon lange mein Interessensgebiet. Und ich habe das Glück, viele interessante Menschen als Freunde zu haben, wie Maler, Regisseure und Medienleute“, erklärt sie in einem Café in der Hauptstadt Taschkent. Schnell kommt Karimova auf ihre eigenen Interessen zu sprechen und erzählt über die letzte Modeschau in Moskau, wo sie als Beraterin an der Botschaft tätig war. Und über ihre Pläne in Wien. In Österreich soll neben London und Moskau eines der Zentren entstehen, die Usbekistan als Kulturnation positionieren.

Ein „Ave Maria“ für Österreich

So als wolle sie unterstreichen, wie ernst es ihr ist, greift Karimova wenig später zum Mikrofon und singt ein „Ave Maria“. Ihre Entourage ist begeistert. „Usbekistan befindet sich in einer Übergangsphase“, meint Karimova, eine der reichsten Frauen des Landes. Um diese möglichst rasch zu beenden, braucht es natürlich Straßen und Wege, die schnurgerade die Anhöhe hinaufführen.

APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2008)

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