Schädellehre: Aggressivität steht im Gesicht

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, Bergmann und Bogart in Casablanca(c) AP
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Ist die Region zwischen Augen und Mund gedrungen, zeigt das Bereitschaft zu Aggression, meinen Forscher. Und gedrungener sind Gesichter generell bei Männern.

Schau mir in die Augen, Kleines!“ Es ist eine falsche Übersetzung – für einen Trinkspruch, „Here's looking at you, kid!“ –, aber sie hält sich, vielleicht weil der Blick in die Augen für uns der zentrale Blick auf andere ist. Und vice versa, andere fordern ihn von uns, auch Autoritäten wollen, dass man ihnen in die Augen schaut.

Aber nehmen wir erst das ganze Gesicht, dort steht, wer eine/r ist – Alter, Geschlecht etc. – und was man von ihr/ihm zu erwarten hat, Freundlichkeit, Übel etc. Solche Verhaltensdispositionen zeigen sich im Ausdruck des Gesichts, vielleicht aber auch im Bau, in den Knochen. Dass man aus dem den Charakter lesen könne, haben viele vermutet, es hieß „Schädellehre“ oder „Phrenologie“, es hat böses Unheil angerichtet und herbe Kritik auf sich gezogen, etwa vom Philosophen Lichtenberg, der sich doch nicht scheute, einem ein „Amengesicht“ zu attestieren.

Was er damit meinte, hat er nicht erläutert, vielleicht ging es ihm um ein Gesicht, in dem ein bestimmter Knochenbau mit einem bestimmten Ausdruck korrespondierte. Das gibt es: Wenn einer Aggressivität zeigt, schiebt er die Oberlippe nach oben und die Augenbrauen nach unten, er verkürzt die Mitte des Gesichts. Exakt das tun bei manchen schon die Knochen, und sie tragen die gleiche Botschaft: Justin Carré und Cheryl Maccormick (Ontario) haben Gesichter vermessen, erst die von Studenten. Die spielten ein Computerspiel, das den Charakter offenbart, vor allem die Bereitschaft zu Aggression. Die zeigte sich auch in den Knochen: Der Bereich zwischen Oberlippe und Augenbraue ist umso gedrungener, je aggressiver eine/r ist. Und gedrungener sind Gesichter generell bei Männern.

Aber nicht bei allen gleich: Die Forscher fanden den Zusammenhang auch bei Testpersonen, über deren Aggressivität Buch geführt wird, bei Eishockeyspielern bzw. der Statistik ihrer Strafminuten: Die mit gedrungenen Gesichtern drängen sich auf der Bank.

Vielleicht schauen Zuseherinnen dort gebannter hin als zum Spiel. Die Forscher vermuten, dass die Bereitschaft zur Aggression und ihre Gestaltwerdung im Knochen die gleiche Quelle haben: Testosteron. Das Hormon macht Männer im Verhalten „männlich“ – aggressiv –, es könnte auch hinter dem Knochenwachstum stehen, das erst ab der Pubertät die Gesichter der Geschlechter unterschiedlich formt. Testosteron hat Kosten, es schwächt das Immunsystem. Wer es sich leisten kann, es – im Schädelknochen – zur Schau zu stellen, hat gute Gene, darauf läuft es hinaus: Balz (Proceedings B, 19. 8.).

Aber: Asiaten schauen anders

Dann muss nur noch jemand hinschauen. Seit Jahrzehnten erforscht man, wie der Blick der/s einen über das Gesicht des/r anderen geht: zwischen Augen und Mund hin und her, es ist immer gleich, es liegt offenbar in der Natur. Nein, es liegt daran, dass man bisher als Testpersonen immer Angehörige der westlichen Kultur genommen hat! Robert Caldera (Glasgow) hat erstmals den ostasiatischen Blick beobachtet: Er geht nicht auf die Augen und den Mund, eher auf die Nase (PLoS ONE, 19. 8.). Bei Asiatinnen würde der falsch übersetzte Bogart schlecht ankommen. Und vielleicht wächst auch der männliche Schädel – wegen des anderen (weiblichen) Blicks – in Asien ganz anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2008)

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