Burgtheater-Chef: „Da gibt's nix zum Zerreißen!“

(c) APA (Georg Hochmuth)
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Direktor Klaus Bachler erklärt das Ersatzprogramm für „Faust“ – und lässt Österreich endgültig los.

Die Presse: Sie spielen „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ statt „Faust“. Die meisten anderen Burgtheater-Direktoren würden dafür vermutlich in der Luft zerrissen.

Klaus Bachler: Da gibt es überhaupt nix zum Zerreißen! Wir haben in diesen zehn Jahren über 200 Premieren gemacht und nur vier Mal ist es passiert, dass eine Produktion abgesagt werden musste. Wir werden eine Art „Faust“-Festival veranstalten. Wir zeigen unterschiedliche „Faust“-Interpretationen, Michael Thalheimer z.B. hat einen interessanten „Faust“ gemacht, auch Jan Bosse. „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist ein Stück, das wir immer machen wollten. Das letzte Mal mit Klaus Maria Brandauer ist 17 Jahre her. Einige der Schauspieler aus dem „Faust“ werden spielen. Joachim Meyerhoff und Christiane von Poelnitz werden George und Martha sein, Markus Meyer und, neu im Ensemble, Katharina Lorenz das junge Paar. Wir müssen etwas machen, das von der Energie der Schauspieler lebt...

Etwas Praktikables.

Bachler: Etwas, das keine lange konzeptuelle Vorbereitungszeit braucht. Man kann von keinem Burgtheater-Direktor verlangen, dass er in sechs Wochen einen „Faust“ aus dem Hut zaubert. Mit Jürgen Gosch (der schwer erkrankt ist, Anm.) haben wir zwei Jahre an Fassung, Interpretation etc. gearbeitet.

Ihr Nachfolger Matthias Hartmann scheint den „Faust“ nun selbst machen zu wollen. Sie beide mögen einander nicht sehr? Er klagt, Sie hätten ihm alle großen „Kisten“ weggespielt.

Bachler: Das Verhältnis zwischen amtierendem und neuem Direktor ist wohl in der Regel nicht allzu herzlich. Es kommt drauf an, dass man korrekt miteinander umgeht. Das, so habe ich das Gefühl, ist der Fall. Der Vorwurf, ich hätte alles weggespielt, ist lächerlich. Der halbe Schiller ist ungespielt, drei Viertel von Goethe, der halbe Shakespeare.

Was würden Sie denn konkret jetzt machen, wenn Sie noch da wären?

Bachler: Z.B. „Wilhelm Tell“, „Die Braut von Messina“, „Räuber“, „Kaufmann von Venedig“, „Richard II.“. Das Repertoire ist endlos. Ich gehe ja auch in München nicht her und sage „La Traviata“ ist aber schon gemacht worden. Wenn Matthias Hartmann „Faust“ machen will, soll er ihn machen. Nur die Vorgangsweise fand ich degoutant.

Die Salzburger Festspiele werden bald wieder auf Intendantensuche gehen. Interessieren Sie sich noch für diese Position?

Bachler: Österreich kommt in meiner Berufsplanung nicht mehr vor, einfach deshalb, weil ich fast zwei Jahrzehnte drei der wichtigsten Positionen – die Staatsoper ausgenommen – hier innehatte. Ich glaube, ich kann das jetzt getrost loslassen. Ich plane ja an sich mein Leben nicht so, aber wenn ich noch einmal wechsle, würde ich eher nach Buenos Aires gehen, also international denken. Ich weiß es nicht. Ich mache mir auch keine Gedanken darüber. Ich weiß nur, dass jemand, der so konstruiert ist wie ich, neue Impulse braucht und nicht dauernd am selben Ort und am selben Institut sitzen kann.

Die heurige Saison wird mit Karl Schönherrs „Weibsteufel“ eröffnet. Martin Kusej inszeniert – der dem Stück das leicht altbacken Dampfige hoffentlich austreiben wird.

Bachler: Für mich ist dieser „Weibsteufel“ mehr als eine Produktion, auf die ich mich freue. Hier schließt sich ein Kreis. Wir haben zu Beginn meiner Direktion eine Beschäftigung mit österreichischer Literatur begonnen, die, glaube ich, Theatergeschichte schreiben wird, namentlich durch Martin Kusej. Niemand hätte gedacht, dass gerade diese Werke, die wir ausgewählt haben, von Grillparzer („Weh dem, der lügt“, „König Ottokar“), Horváth („Glaube Liebe Hoffnung“) über Schönherr bis Nestroy („Höllenangst“) in Interpretationen, wie Kusej sie gemacht hat, so eine zeitgenössische Relevanz haben. Das ist eine der zentralen Sinnfälligkeiten des Nationaltheaters. Das ist das eine, das andere, was wir mit Uraufführungen bewiesen haben, war, dass Gert Jonke, Elfriede Jelinek, Peter Handke in dieser Literatur fußen.


Ihr erster Spielplan in München mit „Aida“, „Lohengrin“, „Wozzeck“ wirkt nicht so, als wollten Sie aufregen oder provozieren.

Bachler: Dieser Spielplan ist ein Riesenpaukenschlag! Das ist auch das Ziel. Meiner Meinung nach sind die prägenden Erzählweisen von Regisseuren wie Konwitschny, Berghaus, Neuenfels langsam am Auslaufen. Ich mache in den ersten zwei Jahren 14 Premieren, davon sind zehn mit neuen Regisseuren für die Oper. Das ist auch ein großes Risiko, wenn Stephan Kimmig, Andreas Kriegenburg oder David Bösch zum ersten Mal eine Operninszenierung machen.

Sie leiten in dieser Spielzeit sowohl das Burgtheater als auch die Münchner Oper. Wie entbehrlich ist ein Burgtheater-Direktor?

Bachler: Den Intendanten braucht man, um einem Haus ein künstlerisches Gesicht und ein Profil zu geben. Außerdem ist das, wie in Firmen, auch ein Biotop, das so ausschaut, wie der Chef eben ist. Die Spielzeit am Burgtheater ist fix und fertig geplant. Ich werde meine Zeit zwischen Wien und München teilen. Ich habe hier ein Team, wo kein Löschblatt zwischen mir und die Kollegen passt. Ich kann zu 100 Prozent davon ausgehen, dass Karin Bergmann (Vizedirektorin, Anm.) und Silvia Stantejsky (kaufmännische Geschäftsführerin, Anm.) alles umsetzen, was wir entschieden haben. Im Unterschied zu anderen Bühnen ist das Burgtheater ein sehr gut geplantes Theater. Ich habe auch in München nicht nur die erste, sondern auch weitere Saisonen bereits fertig.

Ihr Nachfolger braucht als Erstes Geld.

Bachler: Ja. Auch wir haben Finanzbedarf bei der (Bundestheater-)Holding angemeldet. Ein Nachteil ist, solange es keine Regierung gibt, gibt es auch kein Budget. Wir werden aber ausgeglichen bilanzieren.

Die Kulturpolitik tut sich schwer, Intendanten zu finden. Wie soll man suchen?

Bachler: Wenn man ernsthaft sucht, wird man auch junge Persönlichkeiten finden. Operndirektoren z.B. kommen aus den Opernhäusern, sie können Betriebsdirektoren, Dramaturgen sein. Wichtig ist, dass man ein Theatermensch ist. Oper ist kein Konzert in Maske und Kostüm. Werktreue gibt es nicht. Es gibt ein Werkethos. Stücke werden immer weiter geschrieben.

Ist Ihnen leid um das Burgtheater?

Bachler: Noch nicht. Ich möchte auch nicht, dass von einer Ära oder einer Epoche gesprochen wird. Journalisten und Theaterleute sind diejenigen auf der Welt, die am meisten vergänglich sind. Ich mache immer eine Regierungserklärung am ersten Tag der Saison – und heuer habe ich gesagt: „Ich stehe zum letzten Mal hier.“ Das spürt man natürlich. Übrig bleibt der Name an der Marmortafel. Wie auf dem Grabstein.

PERSONEN & DATEN

Der Steirer Klaus Bachler (57) war Schauspieler, Betriebsdirektor an den Staatlichen Schauspielbühnen in Berlin, Festwochen-Intendant in Wien und Volksoperndirektor. 1999 wurde er Burgtheater-Chef. Ab der Saison 2008/09 leitet Bachler die Burg und gleichzeitig die Bayerische Staatsoper in München. Sein Nachfolger in Wien wird 2009 der Intendant des Zürcher Schauspielhauses Matthias Hartmann (45), geboren in Osnabrück. Vor Zürich führte er das Schauspiel Bochum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2008)

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