Leopoldstadt: Keine Straße für Widerstandskämpferin

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Bürgerinitiative fordert die Umbenennung der Arnezhoferstraße.

WIEN. Streit um Straßennamen in der Leopoldstadt: In dem Stadtteil, der bis zur Nazi-Zeit vorwiegend jüdisch besiedelt war, kämpft eine Bürgerinitiative gegen antisemitische Traditionen, die in Straßennamen fortgeführt werden. Das „Stuwerkomitee“ forderte am Freitag mit einem Straßenfest die Umbenennung der Arnezhoferstraße in Selma-Steinmetz-Straße – ein geschichtlicher Gegenentwurf zum derzeitigen Namensgeber.

Die Arnezhoferstraße im Stuwerviertel wurde 1906 unter Bürgermeister Karl Lueger nach Johann Arnezhofer benannt, einem Pfarrer, der 1670 im Auftrag von Kaiser Leopold I. die Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Gebiet der heutigen Leopoldstadt organisierte. Selma Steinmetz wiederum war österreichische Widerstandskämpferin und nach dem Krieg am Aufbau des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) beteiligt. Sie starb 1979 in Wien.

Wenig Begeisterung über die Idee zeigt Bezirkschef Gerhard Kubik (SPÖ) – er lehnt die Umbenennung ab – es bedeute zu viel Aufwand für die rund 700 Anrainer, die alle Dokumente auf eigene Kosten ändern lassen müssten. Allerdings, lenkt Kubik im Gespräch mit der „Presse“ ein: „Wenn die Bewohner das gerne hätten, dann müssten wir drüber reden.“ In der Arnezhoferstraße, glaubt er, sei das aber nicht der Fall.

Tina Leisch, Anrainerin und Mitglied des Stuwerkomitees wiederum spricht von „etlichen Bewohnern“, die für den neuen Namen wären. Leisch fordert eine offizielle Erhebung unter den Anwohnern.

Kubik hat Mitte vergangenen Jahres eine Zusatz-Tafel zum bestehenden Straßenschild versprochen, die über die problematische Person Arnezhofers aufklären soll. Aber: Sie wurde bis jetzt nicht aufgestellt. Der Grund, so Kubik: Die Textauswahl gestalte sich schwierig. Wann die Tafel komme, könne er „noch nicht sagen“ – Kritiker vom Stuwerkomitee sehen darin ein Zeichen für fehlenden politischen Willen.

Streit auch um Nordbahnhof

Immerhin habe man – nach einer Prüfung durch das DÖW – zwei Straßen umbenannt, verteidigt sich Kubik. Die Ichmanngasse in Simon-Wiesenthal-Gasse (Ichmann war Wienerlied-Texter und Mitglied der NSDAP), die Heinrich-Maxa-Gasse in Marathonweg (Maxa war schon ab 1929 NSDAP-Mitglied, später bei der ÖVP). Freilich waren das vergleichsweise einfache Fälle, da in diesen Straßen niemand wohnt.

Die Leopoldstadt ist bisher der einzige Wiener Bezirk, der sich zur Straßennamen-Durchleuchtung an das DÖW gewendet hat. Dort weiß man um die Problematik der Umbenennungen: „Man hat leicht die Bevölkerung gegen sich“, sagt DÖW-Chefin Brigitte Bailer-Galanda, „Zusatztafeln sind eine gute Lösung.“

Nicht nur im Stuwerviertel, auch andernorts in der Leopoldstadt wird um Namen gestritten: Am ehemaligen Nordbahnhof – ab 1943 fuhren von hier Transporte in NS-Vernichtungslager ab – entsteht derzeit ein neuer Stadtteil. Die Bezirks-Grünen wollten dort mehrere Straßen nach Deportationsopfern benennen – und scheiterten. Am Nordbahnhof wolle man „nicht nur Gedenken an die Nazi-Zeit“, sagt Kubik.

Zwei Gassen wurden schlussendlich doch nach NS-Opfern benannt. Die Fanny-Mintz-Gasse trägt den Namen einer jüdischen Ärztin, die im KZ Auschwitz verschollen ist. Und dann ist da noch die Eva-Popper-Gasse. Eva Popper wurde 1943 als jüngstes Kind vom Nordbahnhof nach Theresienstadt deportiert, wo sie starb. Bei ihrer erzwungenen Abfahrt aus Wien war sie drei Wochen alt.

Auf einen Blick

Braune Flecken: Auf Initiative von Bezirksvorsteher Gerhard Kubik suchte das Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands historisch belastete Straßennamen in der Leopoldstadt.

Umbenennung: Zwei Straßen wurden bereits umbenannt, nun fordert eine Initiative auch einen neuen Namen für die Arnezhoferstraße. Problem: Die Anrainer müssten all ihre Dokumente umschreiben lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2008)

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