Friedrich Torberg: Der letzte Kaffeehausliterat

'Matinee' 'Die Gefahren der Vielseitigkeit - Friedrich Torberg zum 100. Geburtstag'. Sendung: ORF2, Sonntag, 07.09.2008, 10:05 Uhr.
'Matinee' 'Die Gefahren der Vielseitigkeit - Friedrich Torberg zum 100. Geburtstag'. Sendung: ORF2, Sonntag, 07.09.2008, 10:05 Uhr.(c) ORF (Jüdisches Museum Wien)
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Vor 100 Jahren wurde Friedrich Torberg geboren. Eine Ausstellung in Wien zeigt die vielen Facetten dieses wehrhaften Schriftstellers.

Muskulös und entschlossen sieht der junge Mann in knapper Badehose aus, der neben seiner Schwester Ilse posiert. Schani Kantor wurde mit Hagibor Prag 1928 sogar tschechischer Staatsmeister im Wasserball, einem harten Sport, bei dem Tritte in den Unterleib üblich sind. Das hat Kantor 1935 in seinem Roman „Die Mannschaft“ beschrieben. Da kannte man den feschen Schani aber längst als Friedrich Torberg, dessen Künstlername sich aus der zweiten Silbe des Vater- und dem Mädchennamen der Mutter zusammensetzt, da war er fast schon vergessen für seine frühe Lyrik und berühmt für seinen Debütroman „Der Schüler Gerber hat absolviert“ (1930), einer Abrechnung mit den schlimmsten Lehrern jenes Gymnasiums in Prag, in dem der aufgeweckte Knabe malträtiert worden war. Der strengste Pädagoge, im Roman heißt er Kupfer, in Realität hieß er Schwefel, bat den Zsolnay-Verlag um ein signiertes Buch – Torberg verweigerte das konsequent.

Zwischen Prag und Wien pendelte der mit vielen Talenten bedachte junge Autor, war auch Sportreporter und Feuilletonist, ehe ihn die Nazis 1938 in die Emigration trieben. Über Frankreich, Spanien und Portugal kam er 1940 nach Amerika, versuchte sich in Hollywood als Drehbuchschreiber bei Warner Brothers, ging dann nach New York. 1953 kehrte er nach Österreich zurück. Torberg, dieser letzte der Wiener Kaffeehausliteraten, der Österreich und seinen Kronländern noch 1975 in der „Tante Jolesch“ ein Denkmal in Anekdoten gesetzt hatte, blieb aber international, er korrespondierte mit aller Welt. 50.000 Briefe hinterließ er.

Jahrelang gar kein Brecht

Sein bewegtes Leben wird von den Kuratoren Marcus G. Patka und Marcel Atze in einer reichlich bibliophilen, gewissenhaften Ausstellung im Wiener Jüdischen Museum dokumentiert, der Bernhard Denkinger eine Art Farbleitsystem verpasst hat. Die Wienbibliothek (sie besitzt den Torberg-Nachlass) hat Wesentliches zur Schau beigetragen. Briefe, Manuskripte, Erstausgaben, Fotos, Videos, authentische Hörbeispiele zeigen in „Die Gefahren der Vielseitigkeit. Friedrich Torberg 1908–1979“ einen streitbaren, ironischen, pointierten Intellektuellen, der vehement den Zionismus vertrat. Ein eindrucksvoller Raum ist Torbergs Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit gewidmet.

Im Kalten Krieg wandte er sich energisch gegen den Kommunismus. Die von ihm mitgegründete Zeitschrift „Forum“ wurde auch von der CIA finanziert. Torbergs Polemiken gegen Bert Brecht gingen in die Literaturgeschichte ein. Mit dem Kritiker Hans Weigel setzte er in Wien den sogenannten Brecht-Boykott durch. Für Jahre waren hier die Stücke des großen linken Theatermannes tabu. Geschadet hat das aber vor allem Torberg, zumeist bei jüngeren Autoren.

Viele seiner Werke sind heute vergriffen, den großen ersten Erfolg mit dem „Schüler Gerber“ hat Torberg bis zur „Tante Jolesch“ nicht wiederholt. Auch andere beherrschen die Untergriffe wie beim Wasserball – Marcel Reich-Ranicki etwa, der den Roman „Süßkind von Trimberg“ 1972 gnadenlos verrissen hat. Torbergs größte internationale Erfolge sind die Übersetzungen der Satiren Ephraim Kishons – dass er ihn hierzulande bekanntmachte, zählt zu seinen großen Verdiensten. Es gäbe aber auch einiges bisher Unterschätzte von Torberg wiederzuentdecken, etwa die Novelle „Mein ist die Rache“, die 1943 in Los Angeles erschien.

„Auf dem Papier war er ein böser Mensch, in Fleisch und Blut ein lieber“, schrieb Günter Nenning, der Mitarbeiter Torbergs beim „Forum“ war und 1965 sein Nachfolger mit dem „Neuen Forum“. Den Eindruck hinterlässt auch diese kundige Ausstellung.

Bis 1. Februar 2009, Dorotheergasse 11, 1., So–Fr 10–18 Uhr. Katalog: „Die Gefahren der Vielseitigkeit“, Holzhausen. Hrsg. v. Marcel Atze und Marcus G. Patka, 224 Seiten, 24 Euro.

www.jmw.at und www.wienbibliothek.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2008)

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