Klima: Meere umrühren, Städte weißeln?

(c) AP (Pierre Tostee)
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Die CO2-Ausstöße steigen immer rascher. Der Umbau der Erde – „Geo-Engineering“ – soll abhelfen.

Das Eis der Arktis ist ein großer Nachteil, auch die dauernd gefrorenen Böden (Permafrost) sind es. Wenn wir unseren Planeten verbessern und lebensfreundlicher machen wollen, müssen wir das Klima verändern.“ Das formulierten 1960 die Sowjet-Forscher Rosin und Flit – unter dem Titel „Mensch gegen Klima“ –, sie wiesen auch den Weg: Man müsse die Erde mit einem Ring aus weißen Partikeln umgeben – „ähnlich wie der Ring des Saturn“ –, schon hätte man zwölf Prozent mehr Sonneneinstrahlung, was vor allem den Norden „merklich erwärmen würde“.

Inzwischen erwärmt er sich, und die alten Ideen vom Umbau der Erde – „Geo-Engineering“ – sind wieder da, auch die vom Ring im All. Nun soll er so gelegt werden, dass weniger Licht kommt. Lanciert wurde die „Sonnencreme für die Erde“ 1997 von Edward Teller, der die Wasserstoffbombe erfunden hat und sein Lebtag überzeugt blieb, jedes Übel habe eine großtechnische Lösung.

So hielt just Teller – der Antikommunist par excellence – die sowjetische Technik- Hybris noch hoch, als sich in der Sowjetunion selbst längst gezeigt hatte, wie Ingenieure die Erde ruinieren können: Durch Umleitung von Flüssen fiel der Aralsee fast trocken, riesige Agrarflächen versalzten. Teller wurde verlacht, anderen Klimarettungs- ideen – etwa der, die Ozeane mit Tischtennisbällen zu bedecken, um die Reflexion zu erhöhen – erging es nicht besser, die Forschermehrheit setzte auf die näher liegende Lösung: Verringerung der CO2-Ausstöße.

„Es geht beängstigend schnell“

Aber die steigen und steigen, immer rascher: Forscher des „Global Carbon Project“ bilanzieren für das Jahr 2007 eine Steigerung des Anteils an der Atmosphäre um 2,2 ppm (Teilchen pro Million), im Jahr zuvor waren es 1,8, in den 70er-Jahren 1,3. Insgesamt haben wir nun 37 Prozent mehr CO2 in der Atmosphäre als 1750, vor dem Beginn der Industriellen Revolution. Die hat sich verlagert – ihre Emissionen taten es auch: China hat beim CO2 die Spitze übernommen –, zugleich verringert sich die Fähigkeit der klassischen CO2-Senken (Wälder etc.), das Gas aufzunehmen. „Die Dinge gehen sehr, sehr schnell“, warnt Corinne Le Quere, Mitglied des „Global Carbon Project“: „Es ist beängstigend.“ (www.globalcarbonproject.org)

Die Angst macht sich auch in den Wissenschaften breit, 2006 kam der nächste GeoEngineering-Vorstoß, vom Atmosphärenchemiker Paul Crutzen. Er hat das Ozonloch entdeckt und dafür den Nobelpreis erhalten, sein Vorschlag – die Erde mit simulierten Vulkanausbruchswolken abzuschatten (Climate Change, 77, S.211) – wurde ernster genommen; er scheint machbar, allerdings mit Risiken für die Ozonschicht verbunden.

Aber einem gefiel Crutzens Idee so wenig wie die anderen bisherigen: Sie alle kämen aus der „Geophysik“, es brauche aber „Geophysiologie“ resp. „Planeten-Medizin“. Der Mann heißt James Lovelock (Oxford), auch er war renommierter Atmosphärenchemiker. Aber er ging weiter, sieht die ganze Erde als lebendes System („Gaia“). Sicher kann man bei Lovelock selten sein, wie weit er es metaphorisch meint, diesmal ist es ihm ganz ernst: Gaia ist krank (gemacht worden), sie braucht Medizin: Man möge die Ozeane umrühren, mit senkrecht hineingehängten Rohren – 100 Meter lang, zehn Meter Durchmesser –, die Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche bringen. Das ist kühl und nährstoffreich, es wird Algen nähren, die kühlende Wolken bilden (durch eine emittierte Chemikalie, Dimethylsulfid) und CO2 in die Tiefe entsorgen, wenn sie tot hinabsinken.

„Planeten-Medizin“ mit Nebenwirkung

Auch diese Idee stieß auf Kopfschütteln – mit Tiefenwasser käme CO2 aus den Meeren. Lovelock hat sie trotzdem gerade wieder verfochten, bei der Royal Society (Philosophical Transactions A, 366, S.3883). Dort war die Creme des Geo-Engineering versammelt, zur Begrüßung erinnerte Biologe Stephen Schneider (Stanford) an die eingangs zitierten sowjetischen Pläne (S.3843).

Ja, kann man denn gar nichts tun? Doch, die Städte weißeln! Physiker um Surabi Menon (Lawrence Berkeley National Laboratory) haben durchgerechnet, was helle Anstriche der heute dunklen Dächer und Straßen bringen würden: Es würde den wärmenden Effekt von 44 Gigatonnen CO2 ausgleichen. Das ist viel, etwa so viel, wie alle Kraftwerke der Erde in eineinhalb Jahren emittieren (Sciencenow, 16.9.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2008)

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