Dann geht am Markt ein Licht auf

(c) AP (Mark Lennihan)
  • Drucken

Elektronische Bücher. Amazon und Sony bringen elektronische Bücher auf den Markt. Papier oder E-Book? Die Zukunft wird wohl eher lauten: Papier und E-Book.

Nur 300 Gramm wiegt der jüngste Mitspieler am Lesemarkt, hört auf den putzigen Namen Kindle (was übersetzt so viel heißt wie anzünden, entflammen, erleuchten) und stammt vom Internet-Buchhändler Amazon. Was sich da so freundlich anbahnt, halten manche für eine Revolution, andere sind der felsenfesten Überzeugung, dass das gute alte Buch aus handfestem Papier sich weiter behaupten wird.

Umsichtige Verleger stellen sich jedenfalls darauf ein, dass sie einen Teil ihres Umsatzes über kurz oder lang durch den Verkauf von E-Books, von elektronischen Büchern, machen werden, die auf einem Handheld wie eben dem Kindle oder dem E-Book-Reader von Sony gelesen werden. Beide Geräte werden vermutlich im Frühling 2009 auf den deutschsprachigen Markt kommen – vorher ist aber noch die Frage des Urheberrechts zu klären. Mitten ins Weihnachtsgeschäft hinein will ein Wiener Unternehmen mit Hixbooks starten – vorerst sind aber nur zwanzig Buchhandlungen (z. B. Morawa) mit an Bord.

Vorgewarnt ist man in der Verlagsbranche ohnehin schon länger: Bereits 1971 startete etwa das Projekt Gutenberg, eine Internet-Bibliothek, in der sich nur Bücher befinden, für die es entweder kein Copyright gibt, bei denen der Urheberrechtsschutz bereits ausgelaufen ist oder deren Autoren ihr Werk explizit für die Online-Verbreitung freigeben. Von Andersens Märchen bis zum Buch über Zimmerpflanzen – 25.000 Titel finden sich dort, vornehmlich auf Englisch, aber auch auf Japanisch, Afrikaans oder Latein, und sind ein Beweis dafür, dass die elektronische Verarbeitung von Lesestoff und dessen Verwendung längst zu einem Stück Normalität der immer größer (und älter) werdenden Generation Internet geworden ist.

200 Bücher auf einem Handheld

Mit der neuesten Entwicklung der E-Books wird die Nutzung jedoch noch mobiler: Die neuen elektronischen Bücher sind so leicht und handlich, dass sie in jeder Handtasche Platz finden, haben eine besonders gute Auflösung der Schrift und sind auch relativ einfach zu bedienen. Heruntergeladen wird der Lesestoff bei Kindle über eine integrierte, drahtlose Internet-Verbindung – bis zu 200 Bücher finden Platz. Beim E-Book-Reader funktioniert die Übertragung mittels USB-Schnittstelle vom Computer, bis zu 160 Bücher passen darauf.

„Als Verlag muss man einfach danach trachten, dass man die Texte von den Büchern in digitaler Form bereithält“, sagt Inge Kralupper, Geschäftsführerin des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels. Das sei für die Unternehmen nicht einmal besonders aufwendig, da heute die Druckvorstufe ohnehin auf digitalem Wege abgewickelt werde.

Verborgen und widmen wird schwer

Wie sich die Sache dann liest? Das ist Geschmackssache. Der Kindle wirkt mit seinem Sechs-Zoll-Display wie der kleine Bruder des Taschenbuchs und wird vermutlich etwa 250 Euro kosten. Dafür kann man immer neue Bücher daraufladen – eine Menge Papier sparen, aber auch keine ansehnliche und herzeigbare Bibliothek daheim ansammeln. Es darf angenommen werden, dass, was man sich aufs E-Book lädt, vermutlich auch gelesen wird (weil es ohnehin nie als Zierde an der Wand stehen kann), dafür tut man sich mit dem Verborgen schwer. Ganz zu schweigen von der herzlichen Widmung beim Verschenken.

Bei Amazon stehen vorerst 180.000 vor allem englischsprachige Bücher zum Download bereit (in den USA hat man sich nach längeren Verhandlungen mit den Verlegern dank einer relativ restriktiven Regelung in der Urheberrechtsfrage geeinigt). Kostenpunkt je Download: durchschnittlich zehn Dollar. In Amerika können auch schon Tageszeitungen und Blogs heruntergeladen werden. Hixbooks stellt derzeit 55.000 Bücher zur Verfügung, ein Zehntel davon in Deutsch.

Grund zur Sorge für Verleger? Wenn man einer Umfrage Glauben schenken will, die auf der Frankfurter Buchmesse durchgeführt wurde, dann schon: Dort war man der Ansicht, dass digitale Texte das traditionelle Buch in zehn Jahren überholt haben werden. Bei der Buch Wien sind E-Books diesmal noch kein Hauptthema, ein Seminar am Donnerstag wird sich aber der Sache annehmen: „Digitalisierung und E-Books – Der neue Markt“. „Auch in Frankfurt ist der Kindle eher für das Fachpublikum und für Journalisten präsentiert worden“, meint Kralupper, „das kann im nächsten Jahr aber schon ganz anders aussehen.“

Doch so sehr sich der Kindle auch anstrengen mag, das Buch nachzuahmen – in Schriftbild, Optik und etwa in der Möglichkeit, auf den Seiten Notizen zu machen oder Passagen zu unterstreichen –, es fehlt der haptische Charme und die unkomplizierte wie universelle Nutzbarkeit. Auch wenn die neueste Technik (das „real ink“-Verfahren) Hintergrundbeleuchtung am Display obsolet macht und das Lesen auch bei Sonneneinstrahlung erleichtert – in der Hängematte, am Pool, im Gartensessel kann man sich das papierene Buch ebenso wenig wegdenken wie unter dem Weihnachtsbaum.

Endlich leichte Schultaschen?

In der Schultasche und am Studentenpult hingegen wäre das elektronische Buch ein echter Gewinn: Man stelle sich vor, die Kinder müssten statt kiloschwerer Schulbücher nur noch 300 Gramm tragen und hätten von Mathematik bis zum Liber Latinus alles eingesteckt, was sie brauchen. Und Studenten könnten, statt wochenlang auf ein bereits entlehntes Buch aus der Bibliothek zu warten, jene Passagen, die sie für die Prüfung benötigen, kurzerhand herunterladen. Auch das hat seinen Charme. Nicht zuletzt setzen manche in das elektronische Buch auch die Hoffnung, damit neue Leser zu gewinnen – oder ehemalige wiederum zu überzeugen: Lesemuffel, die junge Generation, aber auch die Älteren, die am Display die Größe der Schrift nach dem Grad der Sehschwäche bestimmen können. Ob so oder so – Lesen bleibt ein Abenteuer im Kopf. Daran wird auch eine digitale Revolution nichts ändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.