Ein Mysterium namens Bilanzfälschung

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Warum es „Bilanzfälschung“ eigentlich nicht gibt – und wann man trotzdem bestraft wird.

Wien. Gerade in Krisenzeiten könnte die Möglichkeit einer manipulierten Bilanz für das eine oder andere Unternehmen attraktiv erscheinen. Kein Wunder, dass vorige Woche die Veranstaltung „Bilanzfälschung – was Unternehmer, Manager und Aufsichtsräte wissen sollten“ im Wiener SAS Radisson-Hotel gut besucht war. Bawag-Staatsanwalt Georg Krakow und der Gerichtssachverständige Thomas Keppert gaben bei dem von BDO Auxilia Treuhand und der „Presse“ veranstalteten Informationsabend Auskunft zu den wichtigsten Fragen:

Was ist eigentlich eine Bilanzfälschung?

Gleich vorweg: Den Begriff gibt es im Gesetz nicht, er wird auch nie in einem Urteil stehen. Der Deliktname hat sich aber eingebürgert.

Welche Handlungen muss man für eine Bilanzfälschung setzen?

Man muss die Verhältnisse der Gesellschaft (oder erhebliche Umstände, auch einzelne Geschäftsfälle betreffend) unrichtig wiedergeben, verschleiern oder verschweigen, und zwar

► in Berichten, Darstellungen und Übersichten an die Öffentlichkeit oder an die Gesellschafter,

► in einer öffentlichen Aufforderung zur Beteiligung,

► in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung,

► in Auskünften an den (Abschluss-)Prüfer oder

► in Berichten an den Aufsichtsrat oder seinen Vorsitzenden.

Wer kann Bilanzfälschung begehen?

Für die Straftat nach § 255 Aktiengesetz kommen als unmittelbare Täter die Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats, des Verwaltungsrats sowie „Beauftragte“ in Frage. Andere Personen können nur Bestimmungs- und Beitragstäter sein – auch letzteren droht aber das volle Strafausmaß. In der Praxis erhalten diese aber mildere Urteile, berichtete Krakow.

Wer ist eigentlich ein Beauftragter?

Beauftragter ist, wer die Handlung setzt, nicht aber, wer die Tat nur vorbereitet. Ein Steuerberater, der den Jahresabschluss erstellt, kann nicht unmittelbarer Täter sein, solange er selbst nicht die Öffentlichkeit, die Gesellschafter oder die Hauptversammlung informiert.

Setzt die Haftung voraus, dass ein Schaden entstanden ist?

Nein. Auch das Erstellen einer gefälschten Bilanz, die niemandem schadet, ist strafbar. Es spielt auch keine Rolle, ob die finanzielle Lage zu positiv oder zu negativ dargestellt worden ist.

Welche Strafe droht Bilanzfälschern?

Die Freiheitsstrafe beträgt maximal ein Jahr, eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen (im Privatstiftungsgesetz beträgt die Höchststrafe zwei Jahre). In Deutschland gilt eine Höchststrafe von drei Jahren. Manfred Herrnhofer, Vizepräsident der Richtervereinigung, hat kürzlich eine Erweiterung des Strafrahmens gefordert: Während ein Drogenabhängiger, der ein Rezept fälsche, mit bis zu drei Jahren Haft bedroht sei, könnte ein Angeklagter, der Millionenverluste verschleiere, mit maximal einem Jahr Haft davonkommen. Der Wertungswiderspruch liege auf der Hand, meinte Herrnhofer.

Gibt es viele Verurteilungen wegen Bilanzdelikten?

Es gibt dazu nur wenige veröffentlichte letztinstanzliche Entscheidungen. Das hängt damit zusammen, dass Bilanzfälschung oft nur eine Begleittat zu noch schlimmeren Straftaten ist – etwa zu einem Betrug. In diesem Fall überlagert der Betrug das Bilanzdelikt.

Drohen mir auch zivilrechtliche Folgen bei einer Bilanzfälschung?

Ja. Und diese schrecken die Täter oft mehr ab als die strafrechtliche Drohung. Wer Bilanzfälschung betreibt, bricht nämlich ein Schutzgesetz – und läuft damit Gefahr, Schadenersatz leisten zu müssen.

Wird fahrlässige Bilanzfälschung auch bestraft?

Nein. Aber Achtung: Bereits der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) reicht für eine Verurteilung. Gemeint ist damit, dass man einen Fehler in der Darstellung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Über die Abgrenzung von dolus eventualis zur Fahrlässigkeit entscheidet im Einzelfall das Gericht.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine Bilanzfälschung vorliegt?

Es muss ein unrichtiger Abschluss vorliegen – dies ist der Fall, wenn er nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht.

Bei welchen Rechtsformen gibt es kein Bilanzstrafrecht?

Vereine, Kommanditgesellschaften, Offene Gesellschaften, Einzelunternehmen, aber auch ausländische Rechtsformen (etwa die britische Limited) sind von den Bilanzstraftatbeständen nicht betroffen. Sie könnten aber mit gefälschten Unterlagen zum Beispiel Kreditbetrug begehen.

Was sind typische Fehler beim Erstellen von Jahresabschlüssen?

Nicht werthaltige Beteiligungen werden nicht abgeschrieben, Liegenschaften nicht an gesunkene Marktwerte angepasst, Rückstellungen nicht gebildet, Verbindlichkeiten werden nicht bilanziert, Vorräte werden überbewertet, halbfertige Arbeiten werden falsch bewertet, uneinbringliche Forderungen werden nicht abgeschrieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2008)

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