Internet: Die Todesurteile kommen per E-Mail

Online sammeln und veröffentlichen deutsche Rechte Daten von Gegnern.

Wien/Berlin (gat). Benjamin S. wusste nicht, worauf er sich einließ. Im Frühjahr 2005 zeigte der heute 28-jährige Student aus dem ostdeutschen Greifswald die Betreiber mehrerer rechtsextremer Websites an. Seither lebt er in Angst; in Briefen, E-Mails und Telefonaten wird er terrorisiert. Der Grund: Auf mehreren einschlägigen Seiten im Netz hatten Neonazis seine Adressdaten veröffentlicht. „Ich hab mein eigenes Todesurteil per E-Mail bekommen, mittlerweile mehrfach“, sagt S. in einem Interview mit dem Deutschlandradio.

Systematisches Sammeln

Sein Schicksal ist kein Einzelfall. Die rechtsextreme Bewegung ist in Deutschland gut vernetzt – und nutzt das Internet, um Adressen, Telefonnummern und andere Informationen über ihre Gegner zu sammeln und auszutauschen. Das sei zwar nichts Neues, sagt Michael Wörner-Schappert von der deutschen Plattform Jugendschutz.net. Schon vor Jahrzehnten seien gedruckte Listen mit Adressen von missliebigen Politikern und Aktivisten in Deutschland kursiert.

Das Internet ermögliche aber ein effizienteres Vorgehen: „Heute haben viele rechtsextreme Websites eine Anti-Antifa-Sektion“, so Wörner-Schappert. Dort würden „Kameraden“ aufgefordert, Adressen und Telefonnummern einzusenden. Was mit diesen Daten passiere, könne niemand sagen. Rechtliche Schritte seien schwierig, da meist nicht direkt zu Gewalt aufgerufen werde.

„Genesungsgrüße“ von rechts

Nachdem etwa Neonazis im Juli in Passau einen Journalisten zusammengeschlagen hatten, sei dessen Adresse auf einer rechtsextremen Website publiziert worden – mit der Anmerkung: „falls jemand Genesungsgrüße überbringen möchte“.

Der Zusammenhang zwischen den Hetzkampagnen und tatsächlichen Angriffen ist nicht leicht zu ziehen. In Bayern, so Robert Bihler vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, sei bisher nur ein Fall gesichert: In Nürnberg bewarfen Neonazis ein Haus mit Farbbeuteln. Körperliche Übergriffe habe es keine gegeben. Noch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2008)

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