Haselsteiner: „Hoffentlich keine Bilder wie in Athen“

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Hans-Peter Haselsteiner plädiert für Sozialprogramme, damit die Armen in der Krise „nicht zu hart aufschlagen“. Der Regierung gibt er eine Chance, dem LIF nicht mehr.

Die Presse: Herr Haselsteiner, spüren Sie als Bauindustrieller die Auswirkungen der Bankenkrise auf die Realwirtschaft bereits?

Hans-Peter Haselsteiner: Noch nicht. Die Betonung liegt auf noch. Das liegt daran, dass die Bauindustrie Auftragsüberhänge hat. Rein rechnerisch sind wir bis Ende 2009 voll ausgelastet. In der Theorie. In der Praxis sieht es so aus, dass wir in einzelnen Unternehmensteilen sehr genau beobachten müssen, wie sich der Auftragseingang in den nächsten Monaten entwickelt, um beurteilen zu können, ob wir da oder dort mit Kapazitätsanpassungen rechnen müssen.

Gerade die Bauwirtschaft könnte noch zusätzlich vom Konjunkturpaket, einer der ersten Taten der neuen Regierung, profitieren.

Haselsteiner: Die Bauwirtschaft wird in erster Linie davon profitieren. Viele Segmente werden die Krise weniger spüren als andere. Vereinfacht gesagt: all jene, die hohe Anteile an öffentlichen Aufträgen haben.

Hält auch der Staatsbürger und Homo politicus Haselsteiner Konjunkturpakete für eine gute Idee?

Haselsteiner: Es ist nun mal eine Tatsache, dass Investitionen in die Bauwirtschaft einen hohen Multiplikator haben. Durch unsere Verflechtungen haben wir einen guten volkswirtschaftlichen Effekt. Und der ist fast zu hundert Prozent heimisch. Alles, was in die Bauwirtschaft investiert wird, geht weiter in der Wertschöpfungskette. Daher ist ein solches Konjunkturpaket durchaus gerechtfertigt.

Trauen Sie der Regierung Faymann-Pröll zu, die Krise zu meistern?

Haselsteiner: Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass man beiden Herren eine Chance geben muss. Und dass man sie auch nicht unnotwendig unter Druck setzen darf. Sie werden beweisen – ich bin da zuversichtlich –, dass sie mit dieser Krise umgehen können. Ich glaube auch, dass die Große Koalition gewählt wurde, auch wenn es nicht expressis verbis war. Sie wurde zwar geschwächt, aber sie wurde wiedergewählt.

Was halten Sie vom neuen Kanzler Werner Faymann – im Vergleich zu dessen Vorgänger, Ihrem Freund Alfred Gusenbauer?

Haselsteiner: Ich gebe dem Herrn Faymann keine Noten, wie ich auch meinem Freund Gusenbauer keine Noten gegeben habe. Schon gar nicht in der Zeitung.

Ihr politisches Engagement ist zu Ende?

Haselsteiner: So ist es.

Warum haben letztlich nur 2,1 Prozent der Bürger das Liberale Forum gewählt?

Haselsteiner: Ich weiß es nicht. Ich habe mich auch nicht mehr mit dieser Frage befasst.

Sie haben einmal gemeint, die größte Diskrepanz in Österreich gebe es zwischen dem katholischen Konservatismus und dem Liberalismus. Ist das noch so?

Haselsteiner: Ja, ich glaube schon. Das ist ja nicht meine Analyse allein. Aber das hat mit dem Untergang des Liberalen Forums nichts zu tun. Das wäre eine viel zu einfache Erklärung: Weil Österreich so katholisch-wertkonservativ ist, gibt es kein Liberales Forum mehr.

Wieso hat es Sie als Tiroler und Unternehmer nicht zur ÖVP verschlagen?

Haselsteiner: Ich komme aus der ÖVP. Ich war viele Jahre ein ÖVP-domestizierter politischer Mensch.

Sie waren auch Parteimitglied?

Haselsteiner: Ja. Ich bin zu einem Zeitpunkt ausgetreten, an dem ich gesehen habe, dass man den Reformwiderstand in der eigenen Partei nicht länger tolerieren kann. Man kann als Reformkraft nicht glaubwürdig sein, wenn man die eigene Klientel immer verschont.

Welche Reformen schweben Ihnen vor? Sie haben einmal die Abschaffung der Landtage propagiert.

Haselsteiner: Die Bundesstaatsreform ist eines der dringendsten Reformbedürfnisse. Überall dort, wo es beamtete, jahrhundertealte Strukturen und Privilegien gibt, gibt es den größten Reformbedarf. Wir tun ja noch immer so, als würden die Depeschen mit reitenden Boten von Innsbruck nach Wien geschickt werden. Die Verfassung, der ganze Apparat, ist so aufgebaut, als gäbe es keinen technischen oder sonstigen Fortschritt.

Sie tun sich auch als großer Kämpfer gegen den Kammerstaat hervor. Bei der EU-Kommission haben Sie sogar eine Beschwerde eingebracht.

Haselsteiner: Ich bin kein Gegner des Kammerstaates. Vor allem bin ich kein Gegner von wirkungsvollen und guten Interessensvertretungen. Ich bin nur gegen die Zwangsverpflichtung, die Geiselnahme der Mitglieder, die keine Wahl haben, keine Möglichkeit, von der Kammer etwas einzufordern: mehr Servicequalität, mehr Wettbewerbsfähigkeit. Die Kammerreform, die einmal mit Elan vorangetrieben wurde, ist in der Zwischenzeit leider vollkommen erlahmt. Und dann sind da noch die hohen Kosten, die unangemessen verteilt sind. Wir finanzieren das, und andere verteilen es.

Diverse Unternehmen wie die Voest wollen keine Pflichtmitgliedsbeiträge an die Kammern mehr abliefern. Die Strabag macht da nicht mit?

Haselsteiner: Nein. Unsere Schiene ist die Beschwerde und die damit verbundene Aufforderung an die EU, tätig zu werden. Das ist das Kurzfristigere. Die zweite Schiene, nicht zu zahlen, sich von der Kammer klagen zu lassen, das Verfahren dann durch alle Instanzen zu führen bis zum EuGH, dauert wesentlich länger. Ich bin aber durchaus froh, wenn andere diesen Weg gehen.

Es gibt in Österreich beinahe einen Zwang zu einer Großen Koalition, wenn man die Rechte nicht in der Regierung haben will. Sehen Sie da einen Ausweg? Wäre ein Mehrheitswahlrecht eine Alternative?

Haselsteiner: Natürlich wäre ein Mehrheitswahlrecht eine Alternative. Die Frage ist nur: Um welchen Preis? Es würde kleinere, durchaus wertvolle Parteien nicht mehr geben. Der zweite Weg wäre, den Österreichern klarzumachen, dass es kein wirkungsvolles Protestverhalten ist, den rechten Parteien die Stimmen zu geben. Für mich als Liberalen war das Mehrheitswahlrecht nie eine willkommene Lösung. Aber es gibt Modelle, die die Vorteile der beiden Wahlrechtssysteme kombinieren und die Nachteile vermeiden. Wenn eine Verfassungsreform käme, müsste man sich das überlegen und könnte es durchaus auch unterstützen, wenn es einigermaßen erfolgversprechend ist.

Was sagen Ihre Industriellen-Kollegen dazu, dass Sie immer Mitte-links-Projekte – wie eine SPÖ-LIF-Grünen-Koalition – unterstützen.

Haselsteiner: Die haben damit keine Freude. Sie haben ja oftmals keine Freude mit mir. Aber sie akzeptieren das dann. Denn ich bin ja keiner, der destruktiv ist.

Sie sind bekennender Freimaurer. Aus weltanschaulichen Gründen? Oder wegen der Kontakte?

Haselsteiner: Ich gebe zur Freimaurerei keine Kommentare ab. Ich bekenne mich aber zu ihr. Es ist für mich und meine Ansprüche eine bereichernde Mitgliedschaft – in erster Linie intellektuell.

Was wünschen Sie sich für 2009?

Haselsteiner: Ich wünsche mir in Bezug auf die Wirtschaftskrise, dass es zwar eine ruppige Landung, aber kein Crash wird. Ich hoffe, dass uns Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen, die damit einhergehen könnten, erspart bleiben, dass es in Wien keine Bilder wie in Athen gibt. Dass wir bei allen Schwierigkeiten, die uns erwarten, den sozialen Ausgleich halbwegs herstellen können und die Menschen in Not überschaubar halten. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, nun mehrere Hundertschaften Polizei mit Helm und Schild auszurüsten. Man sollte sich besser bemühen, über eine Steuer- und Sozialpolitik, notfalls auch über Sonderprogramme, die einer solchen großen Krise angemessen sind, die Benachteiligten nicht zu hart aufschlagen zu lassen. Gewaltbereitschaft zu verhindern ist ein Gebot der Stunde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2008)

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