Arbeitsmarkt: Zuerst Kurzarbeit, dann den Job los?

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Wirtschaft und Gewerkschaft streiten wegen der so genannten „Behaltefrist“ nach Kurzarbeit. Die Wirtschaftskammer appelliert an die Flexibilität der Gewerkschaft.

Wien. Die 650 Mitarbeiter des Vorarlberger Kfz-Zulieferers Hirschmann werden vorerst nicht kurzarbeiten. Die Verhandlungen mit der Gewerkschaft sind gescheitert. Zankapfel war die Behaltefrist für die Beschäftigten: Eine Sozialpartner-Einigung sieht vor, dass der Mitarbeiterstand nicht nur während der Kurzarbeit konstant gehalten werden muss, sondern auch danach– und zwar so lange, wie die Kurzarbeit gedauert hat. Hirschmann wollte in zwei Tranchen je drei Monate lang Kurzarbeit einführen, danach aber nur einen Monat Behaltefrist gewähren.

Das, so meint die Gewerkschaft, widerspreche den Vereinbarungen. „Wir haben das mit der Wirtschaftskammer vor Jahren so vereinbart und sehen keinen Grund, davon abzurücken“, sagt Karl Proyer von der Gewerkschaft der Privatangestellten. Hirschmann-Chef Thomas Mayer sieht das anders: „Die Regelung stammt aus einer Zeit, in der es noch keine Krise gab.“ In der Branche habe man derzeit einen Planungshorizont von maximal drei Monaten. Man könne nicht für 650 Mitarbeiter eine Beschäftigungsgarantie über neun Monate abgeben. Schützenhilfe gibt es von der Wirtschaftskammer: „Wir sind in einer außerordentlichen Krisensituation“, sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik. Er appelliert an die Flexibilität der Gewerkschaft, um Beschäftigung zu sichern.

Demnächst sollen die Regeln für Kurzarbeit geändert werden: Künftig soll man bis zu 18 Monate kurzarbeiten lassen können (derzeit sind es drei Monate mit Verlängerungsmöglichkeit auf sechs Monate und in Ausnahmefällen bis zu einem Jahr). Über die Details muss auch weiter in jedem einzelnen Fall verhandelt werden.

Proyer verteidigt den Standpunkt der Gewerkschaft: Wer Kurzarbeit in Anspruch nimmt, bekommt schließlich öffentliche Mittel: Die Firmen können Arbeitszeit und Löhne um maximal ein Fünftel reduzieren (die Lohnnebenkosten muss man zur Gänze zahlen). Dafür erhalten die Mitarbeiter Geld vom Arbeitsmarktservice (AMS), sodass sie auf 90 Prozent des bisherigen Nettolohns kommen. „Irgendeine Gegenleistung muss es geben, und die ist das Halten des Beschäftigungsstands. Es ist unglaublich, dass man sich von diesem Grundkonsens verabschieden will“, ärgert sich Proyer. An diesem „Grundkonsens“ rütteln will auch die Industriellenvereinigung. IV-Generalsekretär Markus Beyrer fordert eine „praktikable Umsetzung der Erweiterung der Kurzarbeitsmöglichkeiten“. Er stößt sich an der langen Behaltefrist. „Hier muss etwas geschehen.“ Denn: „Die Alternative zur Kurzarbeit sind Kündigungen“, so Beyrer.

Auch beim steirischen Leiterplattenhersteller AT&S verhandelt man über Kurzarbeit. „Das ist ein gutes Mittel, aber billig für die Unternehmen ist es nicht“, stellt AT&S-Chef Harald Sommerer fest. Die Einsparung für das Unternehmen betrage maximal 20 Prozent, auch wenn die Auslastung um bis zu 50 Prozent einbricht. Das gehe am Sinn der Sache vorbei: „Wenn man so kleine Auslastungsschwankungen von bis zu 20 Prozent hätte, bräuchte man keine Kurzarbeit.“

Appell an Flexibilität

Künftig sollte hier mehr Flexibilität möglich sein, sagt Gleitsmann. Auch die Arbeitnehmerseite müsse Abstriche machen: „Es kann nicht immer 90 Prozent des Nettolohns geben, unabhängig davon, wie viel die Arbeitszeit reduziert wird“, meint er. Proyer bleibt hart: „Das Wort Flexibilität ist für einen Beschäftigten, der 1200 Euro netto verdient, eine Bedrohung.“

AT&S-Chef gibt außerdem zu bedenken: Wenn es ab Februar die Möglichkeit gibt, bis zu 18 Monate kurzarbeiten zu lassen, werde sich kaum jemand auf eine Behaltefrist von insgesamt drei Jahren einlassen. Zumindest hier kann sich die Gewerkschaft ein Einlenken vorstellen: „Wenn das neue Gesetz kommt, sind die Gewerkschaften durchaus bereit, die alten Regelungen einer Bewertung zu unterziehen“, meint Proyer.

AUF EINEN BLICK

Die Sozialpartner ringen um neue Regeln für Kurzarbeit, die künftig bis zu 18 Monate möglich sein soll. Umstritten ist, dass der Mitarbeiterstand nachher so lange gehalten werden muss, wie die Kurzarbeit gedauert hat. Die Arbeitgeber wollen schon früher Kündigungen aussprechen dürfen. In Österreich gibt es rund 19.000 Kurzarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2009)

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