Sexismus andersrum

Emanzen gegen Machos, 68er gegen 78er, Länder gegen Wien: Willkommen bei den kleinbürgerlichen Grünen.

Oft genügt ein Wort, um eine Beziehung hinreichend zu beschreiben. „Solidaritätskandidatur“ ist ein besonders geglücktes Beispiel. Ein Euphemismus. Klingt nett, ist aber gar nicht so gemeint. Mit einer solchen „Solidaritätskandidatur“ auf einem der hinteren Listenplätze für die EU-Wahl wolle er den Grünen zusätzliche Stimmen bringen, erklärte Johannes Voggenhuber sanftmütig – ganz in der Tradition des (hinter-)listigen Wolfs aus Grimms Märchen. Die grüne Führung erkannte die Absicht und war verstimmt. Denn die Solidarität Voggenhubers sollte in erster Linie Voggenhuber selbst zugutekommen, der mit einer Vorzugsstimmenkampagne das Feld von hinten hätte aufrollen können. Ein – wie wir von Andreas Mölzers „Solidaritätskandidatur“ für die FPÖ im EU-Wahlkampf 2004 wissen – kein allzu schwieriges Unterfangen. Sieben Prozent der Stimmen einer Partei als Vorzugsstimmen genügen, um vorgereiht zu werden.

Was folgte, war ein selbst für grüne Verhältnisse relativ erbittert geführter Machtkampf. 68er gegen 78er. Frauen gegen Männer. Die Provinz gegen die Zentrale. Am Ende war Johannes Voggenhuber beim Erweiterten Bundesvorstand mit 17 zu zwölf Stimmen in die Knie gezwungen und endgültig von der EU-Liste beseitigt.

Diesen Abgang hat sich selbst Johannes der Schwierige nicht verdient. Obwohl er den größten taktischen Schnitzer selbst zu verantworten hat: Hätte er sich auf dem Bundeskongress Mitte Jänner einfach auf einen der hinteren Plätze reihen lassen, anstatt nach verlorener Wahl um Platz eins gekränkt den Konvent zu verlassen und seinen Abschied aus der Politik zu verkünden, würde er jetzt auf der Liste stehen. Später wollte er diesen Fehler rückgängig machen – doch es war zu spät. Wobei Voggenhuber nun mutmaßt, dass ihn die Intriganten in seiner Partei damals auf jeden Fall hätten ausrutschen lassen – auch bei einer allfälligen Bewerbung um Platz zwei.


Der Fall Voggenhuber zeigt eines deutlich: Die Grünen sind eine kleingeistige, kleinbürgerliche Partei geworden, in der das Ressentiment mehr zählt als die Generosität im Umgang mit mühsamen, aber unkonventionellen Mitstreitern, die noch dazu bewiesen haben, dass sie Wahlen gewinnen können. Statt Fundis und Realos herrschen bei den Grünen nun die Normalos. Ruhe ist erste Bürgerpflicht. Das war zwar auch schon unter Alexander Van der Bellen so, aber der Professor war immerhin in der Lage, kraft seiner natürlichen Autorität die einzelnen Flügel und Selbstdarsteller halbwegs in Balance zu halten.

Es wäre eine spannende Auseinandersetzung geworden, so ein Vorzugsstimmenwahlkampf. Gerade bei einer Wahl zum EU-Parlament, bei der Desinteresse und eine niedrige Wahlbeteiligung systemimmanent zu sein scheinen. Voggenhuber hätte das Wählerspektrum über Lunacek hinaus erweitern können. Die Stimmen für beide wären letztlich derselben Partei, den Grünen, zugutegekommen. Aber die können es sich anscheinend leisten, das Angebot abzulehnen.

Hinter dem Fall Voggenhuber steckt aber noch mehr: zum einen der Generationenkonflikt zwischen den 68ern wie Johannes Voggenhuber oder Peter Pilz und den 78ern wie Eva Glawischnig und Ulrike Lunacek, die eher von der Umweltbewegung (Zwentendorf 1978 und nachfolgend Hainburg 1984) sozialisiert wurden. Zum anderen der grün-grüne Geschlechterkampf. Die alten Herren der Partei, so insinuiert es auch Voggenhuber, würden sukzessive von den machtbewussten Frauen, die nun das Sagen haben, an den Rand gedrängt. Sexismus einmal andersrum. Es trifft allerdings auch die jüngeren Männer, wie etwa Bundesrat Efgani Dönmez, der sich unlängst nach einem harmlos-flapsigen Sager den Unmut der grünen Damenelite zugezogen hat. Dass sich ausgerechnet die emanzipierten Grünen einmal gegenseitig die „Sexismus“-Vorwürfe um die Ohren hauen werden, wer hätte das gedacht? Das hat im Ironieband der Innenpolitik-Annalen einen prominenten Platz verdient.

Eva Glawischnig, die neue grüne Parteichefin, hat sich vorläufig durchgesetzt: Der renitente Johannes Voggenhuber wurde seines Platzes verwiesen, Wunschkandidatin Ulrike Lunacek – gegen deren fachliche Eignung freilich gar nichts spricht – auf dem ersten Listenplatz einbetoniert. Funktionärsdemokratie statt Basisdemokratie nennt dies der ehemalige Parteichef Christoph Chorherr mit zynischem Unterton.

So gewinnt man innerparteiliche Machtkämpfe. Wahlen gewinnt man so nicht.

Salzburg kämpft für Voggenhuber Seite 2

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2009)

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