Deutsche-Bahn-Chef Mehdorn: SPD legt Rücktritt nahe

Hartmut Mehdorn
Hartmut Mehdorn(c) AP (Michael Probst)
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Bei der Deutschen Bahn ist ein weiterer "Datenabgleich" bekannt geworden. Mehdorn wies Vorwürfe zurück, er habe zu den Datenabgleichen nicht vollständig informiert.

Nach dem Bekanntwerden eines weiteren massenhaften Datenabgleichs bei der Deutschen Bahn gerät Konzernchef Hartmut Mehdorn immer mehr unter Druck. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz forderte im "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Mittwoch den Rücktritt des Managers für den Fall, dass sich Berichte über eine weitere Überprüfungsaktion gegen alle Bahnbediensteten bestätigen sollten. "Mehdorn hat seine letzte Chance vertan", erklärte der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich. Mehdorn wies seinerseits Vorwürfe zurück, er habe zu den großangelegten Datenabgleichen in seinem Unternehmen nicht vollständig informiert.

Sein Verhalten sei "keine Salamitaktik, sondern entspricht dem natürlichen Gang sehr schwieriger Ermittlungen", erklärte Mehdorn am Dienstagabend in Berlin. Weiter hieß es in einer Erklärung der Bahn, man habe in einer außerordentlichen Sitzung des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrates am 30. Jänner 2009 "über den bis dahin letzten Stand" der Ermittlungen unterrichtet, "unter anderem auch über einen weiteren Datenabgleich aus dem Jahre 2005, der im Rahmen der Sitzungsvorbereitung bekannt geworden war".

Unzureichender Erkenntnisstand

Der Vorstand sei mit dem Fortschritt der Ermittlungen und mit dem unzureichenden Erkenntnisstand nicht zufrieden. Deshalb haben man bereits am Freitag die Staatsanwaltschaft um die Aufnahme von Ermittlungen gebeten und werde zusätzlich wie angekündigt - unterstützend eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einschalten. Dies haben man bereits am vergangenen Freitag dem Aufsichtsrat und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mitgeteilt. "Wir bedauern, dass unsere Bemühungen um Transparenz und Klarheit bislang noch zu keinen abschließenden Ergebnissen geführt haben", hieß es weiter. Eine Ausweitung der Datenschutzaffäre sei möglich. Derzeit sei noch kein Ende der Ermittlungen abzusehen.

Die Bahn hatte am Dienstag bestätigt, dass es 2005 eine zweite Überprüfung von Mitarbeiterdaten gab. Nach dem Abgleich von Mitarbeiterdaten in den Jahren 2002 und 2003 habe es auch im Jahr 2005 ein "Screening" gegeben, bestätigte Konzernsprecher Oliver Schumacher. Dieses habe einen ähnlichen Umfang gehabt wie die vorherige Überprüfung, von der 173.000 Mitarbeiter betroffen waren. "Süddeutschen Zeitung" und der "Financial Times Deutschland" meldeten hingegen, vor vier Jahren seien alle Mitarbeiter überprüft worden. Die Bahn hat rund 220.000 Beschäftigte. Auch aus einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Schreiben des deutschen Verkehrsministeriums geht ebenfalls hervor, dass die Deutsche Bahn (DB) 2005 offenbar die komplette Belegschaft betroffen war.

"Katastrophales Krisenmanagement"

Der liberale Oppositionspolitiker Friedrich forderte die Regierung auf, "öffentlich Stellung zu nehmen und zu erklären, welche Konsequenzen sie ziehen will." Nötigenfalls werde die FDP beantragen, dass auch Mehdorn am Mittwoch kommender Woche im Verkehrsausschuss des Bundestages "Rede und Antwort stehen muss".

Der Chef der Bahn-Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, warf dem Unternehmen "katastrophales Krisenmanagement" vor. Eine Personaldiskussion allein um Mehdorn sei derzeit jedoch wenig hilfreich. Der gesamte Vorstand stehe in der Verantwortung. Deswegen hielten die zweite große Bahngewerkschaft Transnet an einer "zeitnahen" Einberufung des Aufsichtsrates zu einer außerordentlichen Sitzung fest. Dann müssten endlich alle Fakten auf den Tisch kommen und bewertet werden. "Ob das Maß voll ist, werden wir in den nächsten Tagen sehen", sagte Hommel.

Die Gewerkschaft Transnet reagierte mit Empörung auf die Nachricht, dass die Deutsche Bahn 2005 ebenfalls Mitarbeiter-Daten überprüft hat. "Der ganze Vorgang muss jetzt endlich einmal komplett auf den Tisch", sagte der Chef der Gewerkschaft, Alexander Kirchner, der "Berliner Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe). Die Gewerkschaft habe jetzt "genug von Eichhörnchen, Uhu und Babylon", fuhr er fort in Anspielung auf die Codenamen für die Überprüfungsaktionen. Transnet-Chef Kirchner zeigte sich darüber hinaus enttäuscht von dem Mitarbeiter-Brief des Bahnchefs. Dieser sei zwar ein erster Schritt auf die Belegschaft zu, "aber keineswegs zufriedenstellend. Es fehlt immer noch eine Entschuldigung, die klare Ansage, wir haben da was falsch gemacht und dafür entschuldigen wir uns."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar verlangte von der DB Aufklärung. Er forderte zudem ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz mit klarer Zweckbindungsregelung. Ein präventiver Datenabgleich dürfe nicht hingenommen werden. "Die Daten von Mitarbeitern dürfen nur zu arbeitsrechtlichen Zwecken wie Lohnbuchhaltung verwendet werden", sagte Schaar der "Berliner Zeitung". Es dürfe sich "keine Unternehmen-Selbstjustiz etablieren, die ohne gesetzliche Grundlage und ohne richterliche Kontrolle abläuft".

(APA)

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