Analysten gehen davon aus, dass die Erste Bank im Schlussquartal tief in die Verlustzone gerutscht ist. Die Banktochter in Rumänien ist um mehr als eine Milliarde Euro weniger wert.
Wien. Nach Gerüchten über eine Verstaatlichung sah sich die Erste Bank am Dienstag nach Börseschluss gezwungen, die Veröffentlichung ihres Vorjahresergebnisses vorzuziehen. Ursprünglich wollte die Bank die Zahlen erst am 27. Februar bekannt geben. Laut der Aussendung ging der bereinigte Konzernüberschuss 2008 um knapp 27 Prozent auf 860 Mio. Euro zurück.
Bemerkenswert ist, dass die Bank keine Zahlen für das vierte Quartal veröffentlicht. „Wir werden die Details zum vierten Quartal am 27. Februar nachliefern", sagt ein Sprecher von Erste Bank-Chef Andreas Treichl auf Anfrage.
Analysten gehen davon aus, dass die Erste Bank im Schlussquartal tief in die Verlustzone gerutscht ist. Entsprechende Gerüchte zogen die Aktie am Dienstag um 10,1 Prozent auf 10,30 Euro nach unten. An der Börse ist die Bank nur noch 3,3 Mrd. Euro wert.
Das vierte Quartal 2008 gilt in der Branche als „Horrorquartal". Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst fielen weltweit massive Abschreibungen an. In der Aussendung wird Treichl mit den Worten zitiert, die Periode zwischen Oktober und Dezember sei „außergewöhnlich schwierig" gewesen.
Nummer eins in Rumänien
Interessant ist ein weiterer Punkt: Auf Grund von Abschreibungen sinkt der Wert der Rumänien-Tochter BCR zu Jahresende „um mehr als eine Mrd. Euro auf 2,7 Mrd. Euro". Die Abschreibung des Firmenwerts für die BCR beträgt 480 Mio. Euro, dazu kommen noch andere Effekte wie etwa 370 Mio. Euro aus der Abwertung des rumänischen Leu sowie Kundenstock-Abschreibungen in der Höhe von 112 Mio. Euro.
Hintergrund: Die Erste Bank hatte vor drei Jahren für 3,75 Mrd. Euro knapp 62 Prozent der BCR-Anteile übernommen. Mit dem Kauf stieg das Wiener Institut in Rumänien zur Nummer eins auf. In den vergangenen Monaten verschlimmerte sich dort allerdings die Wirtschaftslage. Die Regierung in Bukarest verhandelt mit der EU über einen Notkredit von sechs bis sieben Mrd. Euro. Auch bei den Erste-Töchtern in Serbien und in der Ukraine sind Abschreibungen angefallen. Dass die Erste Bank im Vorjahr dennoch einen kräftigen Gewinn erzielte, hängt unter anderem mit einem außerordentlichen Effekt zusammen. Im Frühjahr 2008 wurden die Versicherungstöchter an die Wiener Städtische verkauft. Daraus ergibt sich ein Erlös von 570 Mio. Euro.
Noch offen ist, ob und wann sich Treichl staatliches Partizipationskapital von bis zu 2,7 Mrd. Euro holen wird. Dem Vernehmen nach wollte die Bank mit der Veröffentlichung der „vorläufigen, noch ungeprüften Zahlen" zeigen, dass die Spekulationen über eine Verstaatlichung jeglicher Grundlage entbehren.
("Die Presse", Printausgabe vom 11. Februar 2009)