Neben Großbritannien erwartet auch Russland heuer massive Unruhen wegen der Wirtschaftskrise. Angst vor der Zukunft, Arbeitslosigkeit, Wut und Enttäuschung sind wie eine tickende Zeitbombe.
Die Volkswirtschaften des Ostens befinden sich in einer zunehmend brisanten Lage. Dabei kündigen sich nicht nur die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf zahlreiche osteuropäische Länder sowie Russland mit voller Breitseite an. Dadurch ist offenbar auch die politische Stabilität in einigen Regionen ernsthaft bedroht. Während der Unmut der Bevölkerung wächst und Wut und Enttäuschung über die aktuelle Lage zunehmen, steigt die Angst der Regierungen vor möglichen Eskalationen. Nachdem etwa Litauen, Lettland oder Bulgarien bereits zu Schauplätzen von Straßenschlachten wurden, hat sich Russland dazu entschlossen, möglichen Konflikten durch militärische Aufrüstung vorzubeugen.
Auch in Großbritannien erwarten die Behörden massive Unruhen im "Sommer des Zorns".
Krise nicht vorhersehbar
"In Russland ist es wegen der Erhöhung der Auto-Einfuhrzölle bereits zu Protesten gekommen. Geht die Krise noch tiefer, sind weitere Konflikte möglich", meint Konstantin Kholodilin, Russland-Experte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Derzeit gebe es zwar keine Anzeichen für eine große Eskalation. "Allerdings war auch die Wirtschaftskrise selbst nicht vorherzusehen", sagt der Experte. Eine Verschärfung der innerstaatlichen Krise sei daher nicht kategorisch auszuschließen. Laut einer im Januar 2009 vom Allrussischen Zentrum der öffentlichen Meinung (VZIOM) durchgeführten Umfrage sind nur 21 Prozent der Befragten bereit, an Protestaktionen teilzunehmen. Die Mehrheit von 64 Prozent halte es für unwahrscheinlich, dass es zu Massenprotesten kommen wird.
Schrumpfende Wirtschaft und Arbeitslose
2009 steht Russland nach Zahlen von Eastern Europe Consensus Forecasts eine um 0,6 Prozent schrumpfende Wirtschaftsleistung bevor. Zudem befinden sich die Arbeitslosenzahlen auf Rekordkurs. Allein im Januar verloren rund 300.000 Menschen ihre Jobs, womit die Arbeitslosigkeit auf 6,1 Mio. oder 8,1 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung stieg. "Die Lage in Russland wird sich weiter verschlechtern und die aktuelle Wirtschaftskrise wird länger dauern als die Rubelkrise 1998", beschreibt Kholodilin. Damals hatte ein massiver Kapitalabfluss eine Wirtschaftskrise ausgelöst und die russische Währung unter Druck gebracht. Angesichts der aktuellen Situation zeigt der Rubel jedoch erneut Schwächen, wogegen die Zentralbank in Moskau bereits steuern musste. "Bis Mitte 2010 wird sich die russische Wirtschaft nicht erholen", erklärt Kholodilin. Zwar nimmt die Regierung Etatkürzungen vor, um der schwachen konjunkturellen Entwicklung gegenzusteuern. Rüstungsprojekte sind davon jedoch ausgenommen, wie im Wochenverlauf bekannt wurde.
Medwedjew bildet Reservearmee
Angesichts der Finanzkrise und möglicher weiterer Konflikte wurde durch Präsident Medwedjew zur Stabilisierung der inneren Sicherheit die Bildung einer nationalen Kaderreserve angeordnet.
Diese besteht aus Angehörigen der Armee, Innentruppen, der Zivilverteidigung sowie der staatlichen Agentur für Sonderbauten. Die Zahl der für die russische innere Sicherheit Zuständigen liege jedoch mit rund 2,5 Mio. bereits deutlich über jener der russischen Streitkräfte.
(pte)