Flüchtlinge: Sicherheit vor Menschenrechten

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An den Außengrenzen der EU werden grundlegende Rechte Angehöriger von Drittstaaten immer wieder missachtet, wie ein Bericht der Grundrechte-Agentur zeigt.

Wien/Rom. Überall dort, wo die EU an ihre Außenwelt grenzt, sind Verzweiflung und Hoffnung ganz nah beieinander. 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg, Hunger, Gewalt – und vielen von ihnen erscheint Europa als der attraktivste Ort für ein besseres Leben. Doch bei der Kontrolle und Registrierung an den Grenzstellen werden die Menschenrechte von Drittstaatsangehörigen immer wieder missachtet, wie zwei neue Berichte (Untersuchung von sechs Haupt-Grenzübergangsstellen und an fünf Flughäfen) der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) zeigen. Die Gründe dafür reichen von einer mangelhaften Umsetzung der Rechtsvorschriften über schlecht ausgebildete Beamte bis hin zu Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, schreiben die FRA-Autoren.

Einige Beispiele: Bei allen untersuchten Grenzübergängen an Land wurden – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – Fälle von „respektlosem Verhalten oder einem unangebrachten, aggressiven Umgangston“ gegenüber Flüchtlingen registriert. Müssen diese zwischen verschiedenen Checks warten, dauert das mitunter Stunden – der Zugang zu Wasser oder Toiletten aber bleibt ihnen oftmals verwehrt. Zwei Drittel der Beamten erklärten zudem, dass sie auch dann kein Asylverfahren einleiten würden, wenn die Flüchtlinge angeben, dass bei der Rückkehr in ihr Heimatland Leben oder Freiheit in Gefahr wären. Auf den Flughäfen ist die Situation kaum besser: So werden Personen, die sich einer genaueren Kontrolle unterziehen müssen, über den Grund und Ablauf häufig nicht informiert. Nur die wenigsten Flüchtlinge erhalten eine Aufklärung über Möglichkeiten für einen Rechtsbeistand – was es freilich schwieriger macht, im Fall eines abschlägigen Bescheids oder einer Zurückweisung Beschwerde zu erheben. Zudem hat nur etwas mehr als ein Fünftel der Grenzwachebeamten schriftliche Anleitungen zur Verfügung, um mögliche Opfer von Menschenhandel identifizieren zu können.

Mindestversorgung für Flüchtlinge

FRA-Direktor Morten Kjaerum fordert nun, „dass Sicherheitsbedenken an den Grenzen nicht über der Einhaltung von Grundrechten stehen dürfen. Sie müssen den Kern eines zeitgemäßen integrierten Grenzmanagements bilden.“ Schwerwiegende Formen des respektlosen Verhaltens müssten unterbunden, die Flüchtlinge über Kontrollen zeitnah und in angemessener Form informiert werden. Grenzschutzbeamte sollten zudem besser geschult und für Opfer von Menschenhandel sensibilisiert werden. Für Flüchtlinge, die Stunden oder Tage in Grenzeinrichtungen festgehalten werden, soll es eine Mindestversorgung geben. Auch der Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen durch die Beamten steht im Zentrum der Forderungen.

Die zunehmende Migration in die EU ist auch Hauptthema der FRA-Grundrechtekonferenz, die gestern von der Flüchtlingsbeauftragten der deutschen Bundesregierung, Aydan Özoguz, in Rom eröffnet wurde. Im Licht der steigenden Zahlen von Ertrunkenen im Mittelmeer forderte die SPD-Politikerin eine gemeinsame europäische Asylpolitik und eine gerechtere Verteilung der Migranten auf die Mitgliedstaaten. Deutschland, wo sich die Verteilung nach Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl richte, könne ein beispielgebendes Vorbild sein.

Sorge bereitet der SPD-Politikerin das Ende des italienischen Rettungsprogramms „Mare Nostrum“, das Anfang des Monats von der EU-weiten Nachfolgemission „Triton“ ersetzt wurde. „Triton“ ist in erster Linie eine Grenzschutzmission, die sich nur auf die unmittelbare Küstennähe vor Sizilien und Kalabrien konzentriert und nicht die aktive Suche nach Flüchtlingen in Seenot vor der nordafrikanischen Küste umfasst. Drei Millionen Euro monatlich stehen dafür zur Verfügung – ein Drittel des Geldes, das die Italiener für „Mare Nostrum“ ausgegeben haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)

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