Koalition: Steuerreform wird Überlebensfrage

MINISTERRAT: FAYMANN / MITTERLEHNER
MINISTERRAT: FAYMANN / MITTERLEHNER(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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ÖVP-Chef Mitterlehner versucht mit der Drohung, dass bis März die Entlastung fix sein müsse, einem Scheitern der Koalition vorzubeugen. Für Faymann wird es in der SPÖ nicht einfacher.

Wien. „Was eine Kündigung angeht, so haben wir das zu tun und nicht die anderen.“ Der ehemalige Wiener Abgeordnete und Weggefährte von Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann, Paul Zimmermann, brachte mit seiner Wortmeldung beim Verbandstag der SPÖ-Pensionisten in Wien, den Unmut über das von Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner gestellte Ultimatum auf den Punkt. Die ÖVP als kleinerer Regierungspartner, der zur Vermögenssteuer Nein sage, wolle die SPÖ jetzt erpressen. Auslöser war, dass Mitterlehner in der „ZiB 2“ am Montagabend gedroht hatte, dass die Arbeit der rot-schwarzen Koalition ohne Einigung auf eine Steuerreform bis März 2015 praktisch am Ende sei.

Auch die nun mit breiter Brust auftretende ÖVP-Führung strapaziert mit Finanzminister Hans Jörg Schelling die Nerven vieler Funktionäre der SPÖ bei den Steuern gewaltig. Vor allem, weil manche Sozialdemokraten Faymann nicht zutrauen, dass er SPÖ-Forderungen wie jene nach der Millionärssteuer durchsetzen wird.

„Ziehen wir den Schwanz ein?“

Bezeichnend war etwa am Dienstag der deftige Ausspruch des oberösterreichischen SPÖ-Pensionistenchefs, Heinz Hillinger: „Ziehen wir wieder den Schwanz ein?“ Faymann beruhigte in seiner Antwort später: Mit dem Abgehen der jetzigen ÖVP-Spitze vom glatten Nein zur Steuerreform 2015 sei bereits eine „Wandlung“ erfolgt.

Schon am Vormittag nach dem Ministerrat hatte Faymann nachgelegt und Mitterlehners Aussage als Unterstützung interpretiert. Auch in seinen Augen sei die Steuerreform „politisch lebenswichtig“ für die Koalition, sagte Faymann. „Wenn der Herr Vizekanzler dazu Stellung nimmt und sagt, dass das eine entscheidende Frage für die Koalition ist, dann freut mich das“, meinte er. „Die Steuerreform ist keine Kleinigkeit, die man absagt, sondern ein zentraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik.“

Mitterlehner betonte noch einmal, dass die Steuerreform „zur Symbolik für das Arbeiten der Regierung“ geworden sei. Auf die Frage, warum der ÖVP-Chef das nun explizit anspreche, antwortete Mitterlehner lapidar: „Weil der ORF danach gefragt hat.“ Er werde das allerdings nicht jede Woche aufs Neue wiederholen. Außer natürlich, man frage ihn wieder. Er sei ehrlich genug zu betonen, wie wichtig die Steuerreform für die Regierung sei. Dass die Einigung am angepeilten Datum (17.März 2015) feststehe, sei hingegen nicht so wichtig: Es komme „auf ein paar Tage mehr oder weniger“ nicht an, so Mitterlehner. Wichtig für die Reform sei jedoch, dass sich bis zum Termin nichts Gravierendes an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändere.

Faymann stieß in seiner Partei jedenfalls gut zwei Wochen vor seiner Wiederwahl beim SPÖ-Bundesparteitag Ende November erneut auf Zweifel an seiner Durchsetzungskraft. Mitterlehners Verknüpfung der Steuerreform mit dem Schicksal der Koalition erfolgte nach seiner Kür nicht zufällig: Er wollte damit auch Funktionäre in seiner Partei beruhigen, dass die Reform umgesetzt wird. Denn Schelling hatte diese erst ab 2016 und auch dann nur in Raten in Aussicht gestellt. Der ÖVP-Chef versucht aber auch, Faymann und der SPÖ deutlich zu machen, was auf dem Spiel steht. Ein noch stärkeres Einzementieren der Positionen auf SPÖ-Seite gefährde eine Einigung und damit die Regierung.

ÖGB-Chef gegen Schelling

Das Einbetonieren wird fortgesetzt. Zwar wird eine höhere Grundsteuer als Kompromiss im Konflikt im Vermögenssteuern genannt. Schelling hat aber mit dem Nein zur Negativsteuer in Form einer Steuergutschrift die rote Kernklientel im ÖGB und bei den Pensionisten aufgescheucht. ÖGB-Chef Erich Foglar reklamierte bei den SPÖ-Pensionisten das gesamte Volumen einer Entlastung: „Die 5,9 Milliarden Euro gehören uns. Punkt. Aus.“ Da wartet auf die politischen Steuerverhandler ab Mitte Dezember viel Arbeit, um ein Scheitern im März abzuwenden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2014)

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