Aktien: Die Wall Street hängt Europa ab

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Von den europäischen Märkten haben Analysten in diesem Jahr ziemlich viel erwartet. Gekommen ist es hingegen anders. Die US-Börsen haben indes wieder einmal bewiesen, wer an den Aktienmärkten das Sagen hat.

Wien. Das Match Europa gegen USA dürfte die Wall Street in diesem Jahr für sich entschieden haben. Denn während die Aktienmärkte auf dem alten Kontinent kaum in die Gänge kommen, feiern die US-Börsen fröhliche Urständ.

Die beachtliche Korrektur im September und Oktober scheint jenseits des Atlantiks schon wieder verdaut zu sein. In Europa darf man an eine derartige Erholung aber nicht einmal denken. Erst in der Vorwoche kletterte der Dow-Jones wieder einmal auf ein neues Rekordhoch. Der Euro Stoxx 50 liegt seit Jahresbeginn hingegen rund 1,5 Prozent im Minus. Damit steht er nicht allein. In Paris und Frankfurt ging es heuer um zwei und drei Prozent nach unten. Der ATX steht mit einem Verlust von 14 Prozent ohnehin auf verlorenem Posten.

Schuld für die maue Entwicklung ist die allgemeine Gemengelage. Da wären zum einen politische Konflikte, zum anderen äußerst schwache Konjunkturdaten aus Europa (wenngleich die Drittquartalszahlen erfreulicher als erwartet ausfielen). Hinzu kommt, dass niemand so genau weiß, welche Maßnahmen die Europäische Zentralbank (EZB) künftig ergreifen wird, um die Wirtschaftsleistung anzukurbeln. Zwar billigten die Notenbanker den Kauf von Pfandbriefen und Asset Backed Securities (ABS). „Doch diese Märkte sind zu klein, um das gewünschte Ziel zu erreichen“, sagt Kurt Schappelwein, Leiter der Abteilung Multi-Asset-Strategien bei Raiffeisen Capital Management (RCM). Die Notenbank könnte den Markt zerstören, „wenn sie hier das ganze Material raussaugt“.

Wie wild wird daher über den Kauf von Unternehmens- und/oder Staatsanleihen spekuliert. Immerhin will die EZB ihre Bilanzsumme um eine Billion Euro aufblähen. Ob bis Jahresende noch eine Entscheidung fallen wird, ist unklar. Ob die Maßnahmen der Realwirtschaft etwas bringen, auch. Schließlich benötigte auch die US-Notenbank mit ihrem Kurs der lockeren Geldpolitik einige Jahre, um die US-Wirtschaft wieder anzukurbeln, gibt Alfred Reisenberger von der Valartis Bank zu bedenken.

Eines ist Mario Draghi jedoch gelungen: Er hat den Euro in Grund und Boden geredet. Die Gemeinschaftswährung hat gegenüber dem US-Dollar heuer um zehn Prozent abgewertet. „Im vierten Quartal haben wir eine deutliche Verbesserung der Währungsrelation gesehen“, sagt Reisenberger. Für die Unternehmen sei das von Vorteil, weil ihre Waren im Ausland billiger werden. Der niedrige Ölpreis spielt den Konzernen ebenso in die Hände.

„Das könnte zu steigenden Kursen führen. Denn die Börsen nehmen Entwicklungen gern vorweg.“ Ob es für eine Jahresendrallye reicht, wird man sehen. Denn diese komme oft überraschend und könne sich kurzfristig abspielen.

Die Grundtendenzen an der Börse seien jedenfalls positiv, sagt Schappelwein. Doch während die USA künftig möglicherweise kleinere Brötchen backen müssten, könnten sich Europas Börsen besser entwickeln. Auch weil die Erwartungen an das Gewinnwachstum der Firmen höher seien als in den Vereinigten Staaten.

Dass die US-Märkte in diesem Jahr so gut laufen, haben die meisten Experten nicht vorhergesehen. Vor allem, weil die Kurse an der Wall Street schon im Vorjahr beachtlich zulegten. „Es gibt wahrscheinlich nur einen wahren Aktienmarkt auf der Welt, und das sind die USA“, sagt Reisenberger. Für Europa hingegen waren die Experten zu optimistisch. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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Zykliker sind günstig

Die Fondsgesellschaft Fidelity setzt auf dem alten Kontinent vor allem auf zyklische Aktien. Positive Wachstumsaussichten und bessere Gewinnerwartungen dürften die Titel anschieben. Zykliker entwickeln sich in Aufschwungphasen dynamischer, leiden bei Konjunkturabschwächungen aber stärker. „Ihre Bewertungen sind auf ein attraktives Niveau gesunken“, sagt Fondsmanager Matthew Siddle. Aktien aus diesem Sektor werden im Vergleich zu defensiven Werten mit dem größten Abschlag seit 2008 gehandelt.

Wer auf eine Jahresendrallye in den USA setzen will, sollte das wiederum nicht bei Standardwerten tun. Nur sechs der 20 größten Titel aus dem Standard-&-Poor's 500-Index seien im vierten Quartal bislang besser als der Index gelaufen, sagt Thomas J. Lee von Fundstrat Global Advisors. „Es ist ein Denkfehler, dass Standardwerte die Entwicklung anführen“, so Lee. Stattdessen hätte das Mittelfeld im S&P 500 den Takt vorgegeben. Lee gibt Technologietiteln und dem Gesundheitssektor den Vorzug. Diese Sektoren sind gut gelaufen. Energiewerte, die schwächste Branche, hat Lee ebenso auf dem Radar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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