Helmpflicht beim Skifahren: Je mehr einen tragen, desto eher

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Podiumsdiskussion. Der OGH hält einen Helm beim Rennradfahren für geboten. Experten diskutieren die Folgen für andere sportliche Betätigungen.

Innsbruck. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs, wonach sportlich ambitionierte Rennradfahrer einen Helm tragen müssen (2 Ob 99/14v), hat nicht nur unter Radlern heftige Diskussionen ausgelöst. Vor allem für Skifahrer stellt sich nun auch die Frage, ob ein Helm Pflicht ist (gesetzlich vorgeschrieben ist er nur in einigen Bundesländern und nur für Kinder bis zwölf oder 15 Jahre).

Zur Erinnerung: Ein Rennradfahrer fuhr im Windschatten und stürzte schwer, als der Vordermann für eine unachtsam die Straße überquerende Frau heftig bremste. Hätte der Mann einen Helm getragen, wären seine Verletzungen viel weniger schlimm ausgefallen. Beim Schmerzengeldanspruch gegen die Frau nahm der OGH erstmals eine Kürzung um 25% vor (zusätzlich zum Drittel Mitverschulden wegen Fahrens mit zu geringem Abstand).

Genau genommen handelt es sich nicht um eine Pflicht (mit straf- oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen), sondern eine Obliegenheit: „Niemand kann mir vorschreiben, dass ich den Helm aufsetze“, erläuterte OGH-Hofrat Christoph Brenn vorige Woche bei einer Podiumsdiskussion an der Uni Innsbruck. „Aber wenn ein Unfall mit Verletzungsfolgen entsteht, kann man mir vorwerfen, meinen eigenen Rechtsgütern gegenüber fahrlässig gewesen zu sein. Das führt zur Berücksichtigung eines Mitverschuldens und zur Kürzung meiner Ansprüche.“ Die Frage, ob dies beim Skifahren ohne Helm gleich zu sehen wäre, bejahte Brenn: „Ich glaube, dass wir beim Skifahren noch eher zur Helmobliegenheit kommen als beim Radfahren.“ Voraussetzung wäre aber auch auf der Piste „sportlich ambitioniertes“ Fahren.

Rechtsanwalt Andreas Ermacora, Präsident des Alpenvereins, hat mit dem OGH-Urteil keine Freude. „Wir bewegen uns mit dieser Rechtsprechung in eine sehr kritische Phase.“ Er sorgt sich um den rechtsfreien Raum im alpinen Gelände, um die persönliche Freiheit. So sieht es auch Mario Stedile-Foradori, Vorstand der Vorarlberger Bergbahnen AG: „Helm tragen ist absolut sinnvoll, aber wir wollen die Freiheit des Einzelnen beim Skifahren in keiner Weise beeinträchtigen.“ Am allerwenigsten wollen die Seilbahnbetreiber dazu angehalten werden, die Einhaltung einer Helmpflicht zu kontrollieren. „Als Nächstes muss ich dann im Sommer schauen, was der Fahrgast für Bergschuhe trägt. Fährt er mit Flipflops hinauf, darf ich ihn nicht befördern.“ Und: Wie sieht es mit Skitourengehern oder Rodlern aus?

Autofahrer rücksichtsloser?

Michael Ganner, Professor am Institut für Zivilrecht in Innsbruck, will bei der Helmpflicht nicht nur das Individuum berücksichtigt sehen, sondern auch das Gesamtsystem: Studien besagten, dass eine allgemeine Helmpflicht auch nachteilig wirken könne: Viele würden vom Radfahren abgehalten, Autofahrer könnten rücksichtsloser werden.

Apropos Studien: Brenn betonte, dass die Helm-Obliegenheit statistische Erhebungen voraussetze: Sie komme erst in Betracht, wenn in den beteiligten Verkehrskreisen zumindest mehr als 50% davon überzeugt seien, einen Helm tragen zu sollen. Bis 15-Jährige tragen heute schon zu mehr als 90% Helme, aber auch, wie sich alle Diskutanten einig waren, sehr viele Ältere. Unter dieser Umständen hätte Brenn nichts dagegen, einem Geschädigten ohne Helm ein Mitverschulden zuzurechnen: „Warum soll die ganze Freiheit des einzelnen Skifahrers auf dem Rücken des Schädigers ausgetragen werden, wenn gewisse Verletzungen doch leicht mit einer Schutzvorkehrung wie einem Helm zu vermeiden sind?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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