Vor dem SPÖ-Parteitag zeigt der Kanzler erstmals nach dem Wechsel an der ÖVP-Spitze seinen Unmut über den Koalitionspartner. Schuld ist die Pensionsautomatik.
Wien. Das Szenario erinnerte an den Nationalratswahlkampf im Vorjahr. Werner Faymann trat ganz im Stile eines Regierungschefs, der in der Koalition den Ton angeben möchte, mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (beide SPÖ) in einer eigens einberufenen Pressekonferenz im Kanzleramt vor die Medien. Die Berichterstatter bekamen zu den Differenzen mit der ÖVP freilich kaum anderes zu hören als tags zuvor von Faymann an derselben Stelle beim Pressefoyer nach dem Ministerrat: Angstmache und Zynismus sei das gegenüber der Bevölkerung, wenn sie nun für eine Pensionsautomatik in Form einer Anpassung an das höhere Lebensalter eintrete.
Auf Nachfrage brach freilich durch, wie groß der Ärger beim Bundeskanzler über die Störung der Arbeit durch den Koalitionspartner ist. Ein Satz sprach Bände: „Das persönliche Verhältnis zum Herrn Vizekanzler ist gut, die ÖVP ist dieselbe.“ Erstmals seit der Ablöse von Michael Spindelegger durch Reinhold Mitterlehner in der ÖVP Ende August machte Faymann damit öffentlich kein Hehl daraus, dass die Verstimmungen mit der ÖVP wieder zunehmen.
Der Bundeskanzler erinnerte sogar ausdrücklich daran, dass die Pensionsautomatik schon 2008 vom damaligen Vizekanzler ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer verlangt wurde. Mit dem legendären „Es reicht“ Molterers wurde die damalige rot-schwarze Koalition im Sommer 2008 vorzeitig beendet.
Keine weiteren Einschnitte
Ob er diese Pressekonferenz auch ohne den bevorstehenden SPÖ-Bundesparteitag angesetzt hätte? „Ja, natürlich“, versicherte Faymann. Die SPÖ werde sowohl die Steuerreform als auch das von der Wirtschaft bisher blockierte Bonus-Malus-System für Betriebe, die ältere Beschäftigte entlassen, 2015 durchsetzen, sagte er. Aufhorchen ließ am ehesten Hundstorfer. Denn dieser bekräftigte, dass er vorerst nicht gedenke, weitere Pensionsreformen vorzunehmen. Ausnahme ist ein Paket mit der Teilpension plus Teilzeitarbeit, das er nun bis März 2015 unter Dach und Fach haben möchte. (ett)
PENSIONSAUTOMATIK
OECD-Vergleich. Die ÖVP beruft sich bei der Pensionsautomatik-Forderung auf internationale Vorbilder. Das Sozialministerium übergab der „Presse“ dazu eine Aufstellung. Nach dieser OECD-Übersicht ist die automatische Kopplung des gesetzlichen Pensionsalters an die Lebenserwartung noch nirgends in Kraft: Vorgesehen ist sie (teils ab 2020) in den Niederlanden, Tschechien, Griechenland, Spanien, Italien, der Slowakei und Dänemark. Gekoppelt an die Pensionserhöhung ist sie in Deutschland, Finnland und Schweden. Die Pensionshöhe beeinflusst sie in elf OECD-Staaten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2014)