„Beschäftigungstherapie ist zu wenig“

Round Table. Jung und Alt diskutieren das Thema „Arbeiten bis 80“ – und gewinnen ihm viel Positives ab. Von Michael Köttritsch

Leopold Rosenmayr ist emeritierter Universitätsprofessor für Soziologie und 89 Jahre alt. Inge Lang arbeitet im Vertrieb und ist 81 Jahre alt und Herbert Rohrmair-Lewis, Werbeagenturchef und Vorsitzender der Jungen Wirtschaft, gerade einmal 38. Die drei trafen sich zum Round-Table-Gespräch, um das Thema „Arbeiten bis 80“ zu diskutieren.

So unterschiedlich sie in ihrem Alter auch sein mögen, im Ergebnis sind sie sich einig: Erwerbsarbeit über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus ist jedenfalls sinnvoll. Weil es als Grundlage für ein erfülltes Leben gesehen und weil das derzeitige Pensionssystem angesichts steigender Lebenserwartung auf Dauer als so nicht finanzierbar gesehen wird.

Rosenmayr beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Altersforschung und räumt aus persönlicher Erfahrung ein: „Die Arbeit ist für mich manchmal keine reine Freude.“ Weil er sich plage und schneller ermüde als in früheren Jahren. Dennoch arbeitet er gerade an einem neuen Buch über „Chancen der Weisheit in Geschichte und Gegenwart“, das im Frühjahr erscheinen soll. Er traut den Menschen Metamorphosen zu: „Durch Veränderungen kann die Lernbereitschaft steigen.“ Zu arbeiten, sagt er, ermögliche, Neues zu erleben, Anerkennung zu erhalten und in neue Rollen einzusteigen. Rosenmayr traut unter geeigneten Verhältnissen auch alten Menschen Arbeit verschiedener Dimensionierung zu. Das sei jedenfalls „besser, als herumzusitzen“. Es gehe darum, „mit Arbeit Geld zu verdienen, nicht um Beschäftigungstherapie“.

Auch Herbert Rohrmair-Lewis kritisiert die Politik für die Versprechen, alles sei und bleibe gut. „Es ist höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie alternative Systeme etabliert werden können.“ Was er und die Junge Wirtschaft fordern, ist die Flexibilisierung des Pensionsantrittsalters, um die Menschen nicht zwangsweise aus dem System zu nehmen. Und als ersten Schritt wünscht er sich, dass sich gesetzliches und faktisches Antrittsalter angleichen.

Das derzeitige System sei starr. Natürlich sei es verständlich, wenn ein Maurer 65 Jahren keine Ziegelsteine mehr schleppen können. Aber es gebe auch für ihn Einsatzbereiche.

Sein Partner in der Werbeagentur sei 74 Jahre alt. Er arbeite nicht mehr Vollzeit, sagt Rohrmair-Lewis, aber „es ist toll, dass er so viel Erfahrung einbringt“. Und noch ein Beispiel nennt er: seine Schwiegermutter, die 30 Jahre lang Volksschullehrerin im 16. Bezirk war. Sie schob ihren Pensionsantritt um zwei Jahre hinaus. Jetzt sei sie auf eigene Initiative in der Ukraine und gebe dort kostenlosen Deutschunterricht.

Arbeit nach erreichtem Pensionsantrittsalter könnte die Chance sein, Talente, die ein Berufsleben lang „zugeschüttet“ waren, wiederzuentdecken und dem Leben eine neue interessante Richtung zu geben. Das könne auch eine Form der Selbstständigkeit bedeuten.

Inge Lang bringt viel Erfahrungswissen in die Diskussion ein. Sie arbeite noch immer, weil „es viel Freude macht. Arbeit ist die beste Therapie.“ Durch die Arbeit bleibe sie gesund, allein schon, weil keine Zeit habe, krankt zu sein. Wer arbeite, stehe außerdem in Kontakt mit Menschen – auch das halte sie fit. Sie habe den Unternehmer Günter Fronius kennengelernt, der kürzlich 107 Jahre alt wurde und dennoch regelmäßig ins Unternehmen komme, um mit den Mitarbeitern zu Mittag zu essen und sich deren Problem anhöre.

Allerdings werde älteren Menschen aus finanziellen Gründen die Freude an der Arbeit gründlich verdorben. „Wenn sie Rente bekommen und arbeiten, zahlen sie so viele Steuern, dass nichts übrig bleibt vom Gehalt.“

Dennoch werde sie weiterarbeiten: „Bei meiner Arbeit verdiene ich zwar nicht viel, aber ich bleibe am Ball.“ Schließlich finde sie Ausgleich, wenn sie sich ein bisschen verwöhnen lassen. Das rät sie auch dem Professor im Gegenzug zu seiner intellektuellen Arbeit. Doch damit kann Rosenmayr wenig anfangen: „Verwöhnung höre ich in unserer Zeit sehr oft. Das bringt uns nur in eine Spirale der Verwöhnungskultur. Eine Folge unserer Konsumgesellschaft.“

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