„Verlassen können wir uns nur auf uns selbst“

Faymann delivers his speech at the bi-annual party conference in Vienna
Faymann delivers his speech at the bi-annual party conference in Vienna(c) REUTERS
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Parteichef Werner Faymann versuchte beim Parteitag in der Wiener Messe, die Delegierten zum Zusammenhalt zu bewegen. Es gelang ihm nur bedingt. Vor allem von den Funktionärinnen musste er einiges an Kritik einstecken.

Wien. Es gibt kein Wort, dass in der Wiener Messehalle an diesem Freitag öfter fällt als „Geschlossenheit“. Geschlossenheit – das wünscht sich, nein, das fordert Werner Faymann. Allgemein, aber an diesem SPÖ-Parteitag ganz besonders. Schließlich stellt er sich hier zum vierten Mal der Wahl zum Parteivorsitzenden. Ein schlechtes Ergebnis von 83,43 Prozent wie im Jahr 2012 will er nicht noch einmal riskieren. Vor allem, weil sich sein ÖVP-Konterpart Reinhold Mitterlehner zuletzt 99 Prozent Zustimmung holte.

Also spricht Faymann sein Anliegen vor den 1200 Anwesenden gleich an. „Unsere Stärke liegt darin, dass wir hart miteinander diskutieren, aber geschlossen nach außen treten. An dieser Geschlossenheit werden wir keinen Zweifel aufkommen lassen!“, ruft er in die Menge. Und: „Verlassen können wir uns nur auf uns selbst.“ Schließlich bekomme die SPÖ keine großen Spenden – und auch Journalisten hätten offenbar kein Interesse an einer starken Sozialdemokratie. Umso wichtiger sei es – genau: Geschlossenheit zu beweisen.

Neoliberalismus – der Feind

Dann ging er bereits zum zweiten wichtigen Punkt in seiner Rede über: dem Kampf gegen den Neoliberalismus. „Neoliberalismus wurde als erfolgreichste Ideologie der Weltgeschichte bezeichnet. Im Jahr 2008 kam die Antwort mit der Krise.“ Die Finanzmärkte seien zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Und wer hat die Situation ausbaden müssen? „Der Staat. Die Steuerzahler!“, ruft Faymann in den Raum. Umso wichtiger sei nun die Steuerreform – und zwar inklusive Vermögensteuer. „Denn wie kommt es, dass es in einem Land wie Österreich eine so ungleiche Verteilung gibt?“ Aber auch hier sei eine Lösung nicht so einfach. Denn: „Glaubt nicht, dass die Neoliberalen aufgegeben haben!“ Auch auf die personell erneuerte ÖVP sollte man nicht setzen: „Wer glaubt denn so was, dass die ÖVP eine andere ist, nur weil Reinhold Mitterlehner Chef ist“, meint Faymann.

Dann folgt eine Abrechnung mit jeder anderen Partei. Neos-Chef Matthias Strolz richtet Faymann zum Beispiel „eine Wahrheit“ aus: „Fliegen kann er nicht“ – wohl in Anlehnung auf die Phrase „Flügel heben“. Der Witz funktioniert unter den Genossen nicht, außer Faymann lächelt eigentlich niemand. Für einen Angriff auf die FPÖ und gegen Schwarz-Blau erntet der Parteichef allerdings Applaus. Und auch, wenn er kurz lauter wird, bei Verteilungsfrage und Steuerreform, gibt es verhaltenen Beifall.

Richtig mitreißend wirkt die Rede des Kanzlers nicht. Sie hat einen roten Faden, spricht die wichtigsten Inhalte der Sozialdemokraten an. Während der 45Minuten Redezeit wird Faymann auch immer lockerer. Gegen Ende hin ruft der Bundeskanzler in der Rolle des Parteivorsitzenden noch einmal aufrüttelnd in den Raum: „Verlassen können wir uns nur auf uns selbst.“ Dann tritt er ab – und bekommt immerhin von einigen Delegierten Standing Ovations. Der Rest klatscht im Sitzen.

Generalprobe vor den Frauen

Bereits am Vormittag absolviert Faymann die Generalprobe für seinen Auftritt. Und das vor besonders kritischem Publikum – nämlich auf der SPÖ-Bundesfrauenkonferenz.

Als dort der „liebe Genosse Werner Faymann“ für seine Begrüßungsworte auf die Bühne gebeten wird, bricht nur in den ersten Reihen Applaus aus. Denn nach den Streitigkeiten rund um die Nachfolge von Barbara Prammer im Parlament sowie der umstrittenen Statutenänderung für einen höheren Frauenanteil bei den Listen sind nur wenige SPÖ-Funktionärinnen gut auf den Parteichef zu sprechen. Die oberösterreichische Funktionärin Sonja Ablinger, die den Einzug ins Parlament trotz Quotenregelung nicht schaffte, kündigte jedenfalls bereits im Vorfeld an, Faymann nicht zu wählen.

Da nützt auch der Kurzfilm nichts, der vor dem Redebeitrag des Parteichefs abgespielt wird und seinen Einsatz für die weibliche Bevölkerung darstellen soll: Faymann lachend mit jungen Frauen. Faymann händeschüttelnd mit lächelnden Frauen. Ab und zu auch Faymann mit einem Baby – das beeindruckte nicht wirklich.

Also versucht der Parteichef, in seiner Rede die Frauen zu besänftigen: „Ich möchte mich zuerst dafür bedanken, dass die Frauenorganisation eine derart bedeutende Rolle spielt.“ Und weiter: „Dass ich mich auf euch verlassen kann, ist keine Einbahnstraße.“

Dann spricht er ebenfalls die sogenannte Causa Ablinger an – um sich selbst zu loben und auch ein bisschen die Medien zu schelten. „Ihr könnt euch eben auch auf mich verlassen.“ Um die Statutenänderung auszuarbeiten, habe man sich intern zusammengesetzt, ohne Ratgeber von außen oder „ÖVP-Journalisten, die sich plötzlich für den Parteitag interessieren“.

Dann folgt noch ein bisschen Pension hier („Diese Frage dürfen wir keinem Automaten überlassen“), ein bisschen Steuern da („Reform heißt für mich Verbesserung, auch für die Situation der Frauen“), anschließend der Ruf nach einem „sozial gerechten Europa“ – und schon verlässt er nach einem lauten „Freundschaft!“ die Bühne.

Ihm folgt Frauenchefin und Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Auch sie spricht das neue Statut an, über das heute, Samstag, abgestimmt werden soll. Erstmals soll der Parteivorstand die Möglichkeit haben, Listen mit einem zu geringen Frauenanteil abzuweisen. Von Heinisch-Hosek gab es ein „großes Danke dafür, dass wir aus den vergangenen Vorfällen gelernt haben und den Paragrafen anständig geändert haben“. Später wird sich der Unmut der Funktionärinnen im Wahlergebnis zur Frauenvorsitzenden zeigen: Von 97,8 Prozent im Jahr 2012 stürzt sie auf knapp 86 Prozent ab. Wohl ein Grund mehr für Faymann, für Geschlossenheit zu plädieren.

AUF EINEN BLICK

Gabriele Heinisch-Hosek ist am Freitag bei der SPÖ-Bundesfrauenkonferenz in der Messe Wien mit nur 85,67 Prozent der Delegiertenstimmen als Frauenvorsitzende wiedergewählt worden. Die Ministerin wurde für die mangelnde Einhaltung der 40-Prozent-Quote in der SPÖ bestraft. 2012 hatte sie noch 97,8 Prozent bekommen. Im Anschluss an die Frauenkonferenz begann der 43. Bundesparteitag der SPÖ. Der erste Tag stand im Zeichen der Wiederwahl von Parteichef Werner Faymann. Zu Gast waren auch die Alt-Kanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima. Heute, Samstag, wird dann über die Anträge abgestimmt. Danach gibt es eine Diskussion mit EU-Parlamentschef Martin Schulz und dem schwedischen Premier, Stefan Löfven.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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Kommentare

Faymanns Fehlspekulation

Tag eins des SPÖ-Parteitags war von Aufrufen zu Geschlossenheit geprägt.

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